Das 2. Buch Des Blutes - 2
eingesäumt. Gleichmäßig brannten sie in der stillen Luft und warfen einen vollen, warmen Schein auf das Ziegelrot und auf die Gesichter der wenigen, die noch immer in die Mysterien des Schweinestalls hineinstanten.
Die Leverthal war unter ihnen, ebenso der Wachmann, der an jenem ersten Tag neben Laceys Kopf gekniet hatte. Auch zwei oder drei Jungen erkannte er dem Aussehen nach wieder, nicht jedoch dem Namen nach.
Vom Stall kam ein Geräusch: Während sie sich huldvoll anstarren ließ, scharrte die Sau mit den Füßen im Stroh. Irgend jemand sprach, er konnte nicht herausbekommen, wer. Es war die Stimme eines Jugendlichen mit froh-beschwingtem Vibrato. Als die Stimme in ihrem Monolog innehielt, traten der Wachmann und einer der Jungen wie auf ein entsprechendes Kommando hin weg und verschwanden in der Dunkelheit.
Redman schlich etwas näher. Es kam jetzt auf jede Sekunde an.
Bald würden die ersten der Gemeinde den Sportplatz überquert haben und wieder im Hauptgebäude sein. Sie würden auf Slapes Leiche stoßen, Alarm schlagen. Er mußte jetzt Lacey finden, sofern Lacey tatsächlich noch auffindbar war.
Die Leverthal sah ihn als erste. Sie blickte vom Schweinestall weg und nickte ihm einen Gruß zu; offenbar machte ihr seine Ankunft nichts aus. Es war, als sei sein Erscheinen an diesem Ort unausweichlich gewesen, als führten alle Wege zur Farm zurück, zu dem Strohverschlag und dem Kotgeruch. Gar nicht so abwegig, daß sie das womöglich glaubte. Er glaubte e»
beinah selbst.
»Dr. Leverthal«, sagte er.
Sie lächelte ihn offen an. Der Junge neben ihr hob den Kopf und lächelte auch.
»Bist du Henessey?« fragte er und sah den Jungen an.
Der Bursche lachte, ebenso die Leverthal.
»Nein«, sagte sie. »Nein. Nein. Nein. Henessey ist dort.« Sie deutete in den Stall.
Redman machte noch ein paar restliche Schritte bis zur Staumauer und erwartete, was er nicht zu erwarten wagte: das Stroh und das Blut und das Schwein und Lacey, Aber Lacey war da nicht. Bloß die Sau, pompös und preziös wie immer stand sie inmitten ihres höchstpersönlichen Kots, und ihre riesigen lachhaften Ohren schlackerten über ihren Augen.
»Wo ist Henessey ?« fragte Redman und begegnete dem starren Blick der Sau.
»Da«, sagte der Junge,
»Das ist ein Schwein.«
»Sie hat ihn gefressen«, sagte der Bursche und lächelte noch immer. Die Idee fand er offensichtlich köstlich. »Sie hat ihn gefressen - und er redet aus ihr.«
Sonst noch was, dachte Redman. Verglichen damit, wirkten jetzt Laceys Geistergeschichten fast glaubwürdig. Die verzapften hier allen Ernstes, das Schwein wäre besessen.
»Hat sich Henessey erhängt, wie Tommy gesagt hat?«
Die Leverthal nickte.
»Im Schweinestall?«
Nochmaliges Nicken.
Plötzlich änderte die Sau ihren Standplatz. In seiner Phantasie sah er, wie sie sich hochreckte, um an Henesseys zuckendem Leib zu schnüffeln, unten an seinen Füßen; wie sie spürte, daß der Tod ihn überkam; wie sie geifernd sabberte bei der Vorfreude auf sein Fleisch. Er sah, wie sie den Tau aufleckte, den Henesseys Haut beim Verwesen ausschwitzte, wie sie an ihm schlapperte, ihn erst zögerlich beknabberte, um ihn schließlich zu verschlingen. Es fiel nicht besonders schwer zu begreifen, wieso die Kids aus dieser Scheußlichkeit einen Mythos hatten machen können, sich Hymnen dazu ausdachten, dem Schwein wie einer Gottheit aufwarteten. Die Kerzen, die Ehrenbezeigungen, die geplante Aufopferung Laceys: Das war eindeutig pathologisch, aber keineswegs befremdlicher als tausend andere religiöse Bräuche. Langsam begriff er sogar Laeeys gottergebene Mattigkeit, seine Unfähigkeit, gegen die Mächte anzukämpfen, die ihn übermannten.
Mami, sie haben mich ans Schwein verfüttert.
Nicht: Hilfe, Mami! Rette mich! Bloß: Sie haben mich dem Schwein gegeben.
Das alles konnte er verstehen: Es waren schließlich Kinder, viele mit mangelhafter Schulbildung, manche schon an der Grenze der Debilität und alle empfänglich für Aberglauben, Aber das erklärte noch lange nicht die Anwesenheit der Leverthal. Sie starrte gerade wieder in den Stall, und erst jetzt bemerkte Redman, daß ihr Haar losgebunden war und im Kerzenschein honigfarben auf ihren Schultern lag.
»Ich seh’ hier nur schlicht und einfach ein Schwein«, sagte er.
»Es redet mit seiner Stimme«, sagte die Leverthal ruhig.
»Redet in Zungen, wenn Sie so wollen. Sie werden ihn bald hören, meinen süßen Jungen.«
Da begriff er. »Sie und
Weitere Kostenlose Bücher