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Das 2. Buch Des Blutes - 2

Das 2. Buch Des Blutes - 2

Titel: Das 2. Buch Des Blutes - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Abschiedsinszenierung gibt. Betrachten Sie uns als Schutzengel. Wir wünschen Ihnen nur Gutes, Terence…«
    Eine echte, ohne Umschweife geäußerte Gefühlsregung. Calloway war von der Anteilnahme dieses Mannes gerührt und auch ein bißchen gedemütigt. Sie rückte seine eigenen Sprungbrett-ambitionen in ein wenig schmeichelhaftes Licht.
    Lichficld fuhr fort: »Uns liegt daran, daß dieses Theater seine Tage in angemessenem Stil beschließt und dann einen anständigen Tod stirbt.«
    »Elende Schande.«
    »Viel zu spät zur Reue. Wir hätten Dionysos nie zugunsten Apollos aufgeben sollen.«
    »Was?«
    »Uns nie an die Buchhalter verkaufen sollen, an die Vertreter von Rechtmäßigkeit und Folgerichtigkeit, an solche wie Hammersmith, dessen Seele, wenn er eine hat, so groß sein muß wie mein Fingernagel und grau wie ein Läuserücken. Wären wir doch, so meine ich, so mutig gewesen, wie man uns schildert: im Dienst der Dichtkunst unter den Sternen leben.«
    Calloway konnte den Anspielungen nicht ganz folgen, aber er erfaßte die Grundtendenz und respektierte den Standpunkt.
    Von links hinter der Bühne her zerschnitt Dianes Stimme wie ein Plastikmesser die erhabene Atmosphäre.
    »Terry? Bist du hier?«
    Der Bann war gebrochen. Erst als diese andere Stimme sich zwischen sie drängte, wurde sich Calloway bewußt, wie hypnotisch Uchfields Gegenwart gewesen war. Ihm zu lauschen gab einem das Gefühl, in wohlbekannten Armen gewiegt zu werden. Lichfield trat zum Rand der Bühne und senkte seine Stimme zu einem verschwörerischen Schnarren.
    »Noch ein letztes, Terence…«
    »Ja?«
    »Ihre Viola. Sie verzeihen, wenn ich ausdrücklich darauf hin-weise, aber ihr fehlen die besonderen Qualitäten, die für diese Rolle erforderlich sind.«
    Calloway ließ sich Zeit.
    »Ich weiß«, fuhr Lichfield fort, »daß in solchen Fällen persönliche Loyalität die Aufrichtigkeit verhindert.«
    »Nein«, antwortete Calloway, »Sie haben recht. Aber sie ist populär.«
    »Das war die Bärenhatz auch, Terence.«
    Ein strahlendes Lächeln breitete sich unter der Hutkrempe aus und hing in dem Schatten wie ein beknacktes Grinsen.
    »Ich mache nur Spaß«, sagte Lichfield. Sein Schnarren war jetzt ein Glucksen. »Bären haben ihre Reize.«
    »Ach, da bist du ja, Terry,«
    Diane tauchte zwischen den Kuüssenhängern auf, zu aufwendig angezogen wie gewöhnlich. Sicher stand eine peinliche Gegenüberstellung bevor. Aber Lichfield schlenderte die falsche Perspektive der Hecken entlang zum Bühnenhintergrund davon.
    »Hier bin ich«, sagte Terry.
    »Mit wem hast du gerade geredet?«
    Lichfield war abgegangen, so aalglatt und leise, wie er eingetreten war. Diane hatte ihn nicht gesehen.
    »War nur ein Engel«, sagte Calloway.
    Die erste Kostümprobe war, wenn man alles in Betracht zog, nicht so schlecht, wie Calloway es befürchtet hatte: sie war noch tausendmal schlechter. Stichworthilfen gingen unter, Requisiten wurden verlegt, Auftritte verpaßt; die komischen Pantomimen wirkten an den Haaren herbeigezogen und schwerfallig, die Darstellung entweder hoffnungslos über-frachtet oder oberflächlich. Dies war eine »Was-ihr-wollt«-
    Inszenierung, die sich über ein ganzes Jahr hinzuziehen schien.
    Nach ungefähr der Hälfte des dritten Aktes schaute Calloway flüchtig auf seine Uhr und stellte fest, daß eine ungekürzte Aufführung von »Macbeth« (samt Pause) jetzt bereits zu Ende gewesen wäre.
    Er saß im Parkett, den Kopf in die Hände vergraben, und dachte darüber nach, wieviel Arbeit ihm noch bevorstand, wenn er diese Inszenierung halbwegs anständig über die Bretter bringen wollte. Auch bei dieser Produktion waren es die Besetzungsprobleme, mit denen er wieder einmal aufgeschmissen war. Stichworthilfen konnte man fixieren, die Requisiten proben, Auftritte so lang durchspielen, bis sie sich ins Gedächtnis eingeprägt hatten, aber ein schlechter Schauspieler bleibt ein schlechter Schauspieler bleibt ein schlechter Schauspieler. Bis zum Jüngsten Tag könnte er mühevoll polieren und feilen, und trotzdem würde unmöglich ein Diamant aus so einem Kieselstein, wie die Duvall einer war.
    Mit der Geschicklichkeit eines Akrobaten brachte sie es zustande, jede Bedeutsamkeit zu unterlaufen, jede Gelegenheit, das Publikum zu rühren, außer acht zu lassen, jede Nuance zu vermeiden, die der Autor für sie vorgesehen hatte.
    Es war eine in ihrer Verfehltheit heroische Darstellung, die die subtile Charakterzeichnung, die Calloway zu entwickeln sich

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