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Das 2. Buch Des Blutes - 2

Das 2. Buch Des Blutes - 2

Titel: Das 2. Buch Des Blutes - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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bemüht hatte, zum Gewinsel auf nur einer Note zusammen-stutzte. Diese Viola war steriler Soap-opera-Papp, weniger menschlich als die Hecken und in etwa so grün.
    Die Kritiker würden sie in der Luft zerreißen.
    Schlimmer noch, Lichfield würde enttäuscht sein. Zu seiner beträchtlichen Überraschung hatte der starke Eindruck von Lichfields Erscheinung sich nicht verringert; Calloway konnte dieses schauspielerhafte Sich-in-Szene-Setzen, diese poseurhafte Gestik, diese rhetorische Suada nicht vergessen. Das hatte ihn tiefer berührt, als er einzugestehen bereit war, und die Vorstellung, daß sein »Was ihr wollt« mit dieser Viola den Schwanengesang des von Lichfield heißgeliebten Elysiums abgeben sollte, beunruhigte und beschämte ihn. Es kam ihm irgendwie undankbar vor.
    Oft genug war er vor den Bürden, die ein Regisseur zu tragen hat, gewarnt worden, lange bevor er noch ernsthaft in den Beruf hineingeschlittert war. Sein geschätzter, dahingeschiedener Guru am Actor’sCentre,Weübeloved (jener mitdem Glasauge), hatte Calloway von Anfang an eingeschärft: »Ein Regisseur ist die einsamste Kreatur auf Gottes Erdboden. Er weiß, was gut und schlecht ist in einer Aufführung, zumindest sollte er es, wenn er seinen Namen verdient, und er muß diese Kenntnis mit sich herumschleppen und zugleich Haltung bewahren nach außen.«
    Das war ihm damals nicht so schwierig vorgekommen.
    »In diesem Job geht’s nicht um Erfolg«, sagte Wellbeloved gern,
    »es geht darum zu lernen, daß man nicht auf die Schnauze fällt.«
    Ein guter Rat, wie sich herausstellte. Er sah Wellbeloved noch vor sich,wie er diese Weisheit quasi auf dem Tablett servierte, sein Glatzkopf schimmerte, und sein echtes Auge glitzerte vor zynischem Entzücken. Niemand auf der Welt, so hatte Calloway damals gedacht, liebte das Theater leidenschaftlicher als Wellbeloved, und bestimmt gab es keinen, der seine Anmaßungen vernichtender kritisierte.
    Es war fast ein Uhr früh, bis sie endlich den erbärmlichen Probedurchlauf hinter sich und die kritischen Anmerkungen abgehakt hatten; vermotzt und aufeinander sauer gingen sie auseinander, in die Nacht hinaus. Calloway wollte heute keinen von ihnen zur Gesellschaft: kein spätes Gesaufe auf der einen oder ändern Bude, keine wechselseitige Ego-Massage. Er war völlig von einer melancholischen Stimmung umfangen, und weder Wein noch Weib noch Gesang würden sie vertreiben. Er brachte es kaum über sich, Diane in die Augen zu sehen. Die kritischen Bemerkungen ihr gegenüber, die er vor dem Übrigen Ensemble ausposaunte, waren atzend gewesen. Freilich würden sie nicht viel nutzen.
    Im Foyer stieß er auf Tallulah; sie war noch hellwach, obwohl die Bettgehzeit für alte Damen längst vorbei war.
    »Schließen Sie zu heut nacht?« fragte er sie, mehr um bloß was zu sagen, als daß es ihn wirklich interessiert hätte.
    »Ich schließe immer zu«, sagte sie. Sie war weit über siebzig; zu alt für ihren Job an der Theaterkasse, aber zu zäh auf ihn fixiert, als daß man sie leicht hätte entlassen können. Aber schließlich war das jetzt alles rein theoretisch geworden, oder?
    Er hätte gern gewußt, wie sie reagieren würde, wenn sie das von der Schließung erführe. Wahrscheinlich hätte es ihr das zerbrechliche Herz abgedrückt. Hatte ihm nicht Hammersmith einmal erzählt, daß Tallulah schon als Mädchen, seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr, hier am Theater war?
    »Also, gute Nacht, Tallulah!«
    Sie bedachte ihn wie immer mit einem winzigen Nicken. Dann streckte sie die Hand aus und faßte ihn am Arm.
    »Ja?«
    »Mr. Lichfield…« fing sie an.
    »Was ist mit Mr. Lichfield?«
    »Die Probe hat ihm nicht gefallen.«
    »War er heute nacht im Haus?«
    »Ja doch«, antwortete sie, als wäre Calloway ein Trottel, weil er das Gegenteil für möglich hielt. »Natürlich war er im Haus.«
    »Hab’ ihn nicht gesehn.«
    »Weil… Ach nichts! Er war nicht sehr angetan.«
    Calloway versuchte, gleichgültig zu wirken. »Da kann man nichts machen.«
    »Ihre Inszenierung liegt ihm sehr am Herzen.«
    »Ich nehm’s zur Kenntnis«, sagte Calloway und wich Tallulahs vorwurfsvollen Blicken aus. Es gab - auch ohne das Genörgel ihrer enttäuschten Stimme in seinen Ohren - wirklich genug, was ihn heute nacht nicht schlafen lassen würde.
    Er löste seinen Arm und steuerte auf die Tür zu, Tallulah machte keinen Versuch, ihn aufzuhalten. Sie sagte nur: »Sie hätten Constantia sehen sollen.«
    Constantia? Wo hatte er den Namen schon

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