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Das 2. Buch Des Blutes - 2

Das 2. Buch Des Blutes - 2

Titel: Das 2. Buch Des Blutes - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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ihm putzmunter in den Rücken gefallen waren, und umgekehrt an die Bühnenautoren, deren Werk er freundlich lächelnd in den Dreck gezogen hatte, und an die Schauspieler, die er mit einer beiläufigen Witzelei zerquetscht hatte. Die Verbrüderung konnte ihn mal. Du über meine Leiche, ich über deine, so war das wie in jedem überlaufenen Beruf sonst auch.
    »Ich habe«, sagte Lichfield jetzt, »ein bleibendes Interesse am Elysium.« Mit einer sonderbaren Hervorhebung des Wortes
    >bleibend<. Es kam unzweideutig begräbnishaft von Lichfields Lippen: Bleib du bei mir.
    »Ach was?«
    »Ja, ich habe all die Jahre hindurch viele glückliche Stunden in diesem Theater verbracht, und es schmerzt mich, offen gestanden, die unangenehme Nachricht zu überbringen.«
    »Was für eine Nachricht?«
    »Mr. Calloway, ich muß Sie davon in Kenntnis setzen, daß Ihre
    >Was-ihr-woIlt<-Inszenierung die letzte Produktion ist, die das Elysium erleben wird.«
    Diese Behauptung kam gar nicht so überraschend, aber sie tat trotzdem weh, und das innerliche Zusammenzucken mußte sich auf Calloways Gesicht abgezeichnet haben.
    »Ach… dann haben Sie es also nicht gewußt. Dacht’ ich mir.
    Sie halten die Künstler immer in Unwissenheit, nicht? Das ist eine Genugtuung, auf die die apollinischen Vernünftlinge wohl nie verzichten werden. Die Rache des Buchhalters.«
    »Hammersmith«, sagte Calloway.
    »Hammersmith.«
    »Dreckskerl.«
    »Seinesgleichen darf man niemals trauen, aber das brauche ich Ihnen wohl kaum zu sagen.«
    »Sind Sie sich mit der Schließung ganz sicher?«
    »Asolut, Noch morgen würde er sie durchziehn, wenn er könnte.«
    »Aber warum eigentlich? Ich hab’ Stoppard hier gemacht, Tennessee Williams - immer vor gut besetzten Häusern gespielt. Es ergibt keinen Sinn.«
    »Finanziell ergibt es einen bewundernswürdigen Sinn, fürchte ich, und wenn man in Zahlen denkt wie Hammersmith, dann ist gegen simple Rechnerei kein Kraut gewachsen. Das Elysium wird alt. Wir alle werden alt. Wir knarzen. Wir spüren unser Alter in den Gelenken: Unwillkürlich treibt es uns, uns nieder-zulegen und für immer dahinzugehen.«
    Dahinzugehen: Die Stimme wurde melodramatisch leiser, ein sehnsuchtsvolles Geflüster.
    »Wieso wissen Sie das alles?«
    »Ich war viele Jahre Vermögensverwalter des Theaters, und seit meinem Ausscheiden habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, die - wie sagt man wieder? — die Augen überall zu haben. Es ist schwierig heutzutage, all die Triumphe, die diese Bühne gesehen hat, heraufzubeschwören…«
    Seine Stimme verlor sich in Träumerei. Es schien wahr zu sein, keine Effekthascherei.
    Dann noch einmal geschäftsmäßig: »Dies Theater steht unmittelbar vor seinem Ableben. Sie werden bei den Sterberiten’
    zugegen sein, ohne daß Sie persönlich Schuld trifft. Ich hatte das Gefühl, man dürfe Sie nicht… unvorbereitet lassen.«
    »Bedanke mich. Ich weiß das zu schätzen. Sagen Sie, waren Sie selber irgendwann mal Schauspieler?«
    >Wie kommen Sie darauf?«
    »Wegen Ihrer Stimme.«
    »Pathetisch bis zum Gehtnichtmehr, ich weiß. Mein wunder Punkt, fürchte ich. Ich kann kaum eine Tasse Kaffee bestellen, ohne daß es sich anhört wie Lear im Sturm.«
    Er lachte herzlich, auf seine Kosten. Der Bursche wurde Calloway langsam sympathisch. Womöglich sah er ein wenig ange-staubt aus, vielleicht sogar ein bißchen lächerlich, aber sein Verhalten hatte etwas ungebrochen Radikales, das Calloways Einbildungskraft fesselte. Lichfield brauchte seine Liebe zum Theater nicht zu rechtfertigen, im Gegensatz zu so vielen in dieser Branche, die in Ermanglung eines Bessern notgedrungen auf den Brettern standen, ihre Seele aber dem Film verschrieben hatten.
    »Ich habe, muß ich gestehen, ein wenig in der hohen Kunst herumgestümpert«, vertraute ihm Lichfield an. »Aber mir fehlt dazu einfach das Stehvermögen, fürchte ich. Meine Frau hingegen…«
    Frau? Calloway war überrascht: Lichfield hatte also tatsächlich einen Funken Heterosexualität im Leib.
    »… meine Frau Constantia hat hier bei einer Anzahl Okkasionen gespielt, und sehr erfolgreich, will ich meinen. Freilich vor dem Krieg.«
    »Jammerschade, den Platz zuzumachen.«
    »In der Tat. Aber hier wird kein Deus ex machina auftauchen, fürchte ich. Innerhalb von sechs Wochen wird das Elysium ein Schutthaufen sein, und damit ist dann alles aus. Ich wollte Sie nur wissen lassen, daß es andere, mit den kraß kommerziellen gar nicht vergleichbare Interessen an dieser

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