Das 2. Buch Des Blutes - 2
die ihren Arm durch den Lichfields schlang und Tallulah mit ernstem Nicken begrüßte.
Teure, tote Constantia.
Die vorletzte Probe war für nächsten Morgen halb zehn angesetzt. Diane Duvalls Auftritt verspätete sich wie immer um eine halbe Stunde. Sie sah aus, als hatte sie die ganze Nacht nicht geschlafen.
»‘tschuldigung wegen der Verspätung«, sagte sie, und ihre offenen Vokale drangen den Mittelgang entlang nach vorn zur Bühne.
Calloway war in keiner Weise zum Schuheküssen aufgelegt.
»Wir haben morgen ‘ne Premiere«, fegte er sie an, »und alle haben deinetwegen warten müssen.«
»Wirklich?« tremolierte sie und versuchte, entwaffnend zu sein. Es war zu früh am Morgen, und der Effekt fiel auf steinigen Boden.
»Also dann, wir gehn alles von Anfang an durch«, kündigte Calloway an, »und daß bitte jeder von euch seinen Text zur Hand hat und was zum Schreiben. Ich hab’ ein paar Streichun-gen vor, und ich möchte, daß sie bis zur Mittagspause sitzen.
Ryan, hast du das Soufflierbuch da?«
Einer hastigen Rücksprache im Inspizientenbüro folgte die entschuldigende Verneinung Ryans.
»Dann besorg es dir! Und ich will von niemand irgendwelche Beschwerden hören, wir sind schon spät dran. Der Durchlauf letzte Nacht war ‘ne Totenwache, keine Aufführung. Einsätze und Zusammenspiel haben ewig gedauert; die Pantomimen waren ein wüstes Gestopple. Ich werde streichen, und es wird bestimmt kein Honiglecken.«
Das war es dann wirklich nicht. Die Beschwerden kamen trotz des Verbots, die Einwände, die Kompromißvorschläge, die sauren Mienen und hingenuschelten Beschimpfungen. Calloway wäre lieber an den Zehen von einem Trapez gebaumelt, als vierzehn schwer überreizte Leute durch ein Stück zu lotsen, das zwei Drittel von ihnen kaum verstanden und mit dem das letzte Drittel nicht die Bohne anzufangen wußte. Es tötete einem den Nerv,
Verschlimmert wurde das Ganze noch dadurch, daß er die ganze Zeit über die stechende Empfindung harte, beobachtet zu werden, obwohl der Zuschauerraum von der Galerie bis zur ersten Parkettreihe leer war. Womöglich hatte Lichfield irgendwo ein Guckloch, dachte er. Doch dann verwarf er die Vorstellung als erstes Anzeichen aufkeimenden Verfolgungs-wahns. Endlich dann Mittagspause.
Calloway wußte, wo Diane zu finden war, und er bereitete sich auf die Szene vor, die er mit ihr durchspielen mußte: Vorwürfe, Tränen, Versicherung ungebrochenen Vertrauens, nochmals Tränen, Aussöhnung, Standardformat.
Er klopfte an die Tür der Stargarderobe.
»Wer ist draußen?«
Weinte sie bereits, oder grummelte sie in ein Glas mit trostspendendem Inhalt?
»Ichbin’s.«
»Ah.«
»Kann ich rein?«
»Ja.«
Sie harte eine Flasche Wodka, guten Wodka, und ein Glas. Bis jetzt keine Tränen.
»Ich bring’ überhaupt nichts, oder?« sagte sie, kaum hatte er die Tür hinter sich zugemacht. Ihre Augen bettelten um Widerspruch.
»Red keinen Unsinn!« wich er aus.
»Mit Shakespeare bin ich nie klargekommen«, schmollte sie, als ob der Barde schuld dran wäre. »All diese bekackten Wörter. « Gewitter am Horizont, er sah es sich zusammenbrauen.
»Alles halb so wild«, log er und legte den Arm um sie. »Du brauchst nur noch ein bißchen Zeit.«
Ihr Gesicht umwölkte sich. »Morgen ist Premiere«, sagte sie tonlos. »Sie werden mich in Stücke reißen, nicht?«
Er wollte nein sagen, aber seine Zunge hatte einen unvermuteten Anfall von Ehrlichkeit.
»Ja. Außer…«
»Ich trete nie wieder auf, nicht? Harry hat mir das eingeredet, dieser verdammte, schwachsinnige Jude: gut für mein Image, hat er gesagt. Würd’ dadurch zwangsläufig etwas mehr Kontur bekommen, hat er gesagt. Was weiß der schon? Steckt seine dreckigen zehn Prozent ein, und ich hab’ die Sache am Hals.
Steh’ da wie der allerletzte Idiot, nicht?«
Bei der Vorstellung, wie ein Idiot dazustehen, brach das Unwetter los. Das war kein leichter Schauer: Es handelte sich, wenn es überhaupt mit etwas zu vergleichen war, um einen Wolkenbruch. Er tat, was er konnte, aber er tat sich schwer. Die Perlen seiner Weisheit gingen unter in ihrem allzulauten Schluchzen. Also küßte er sie ein wenig, wie es die Pflicht eine»
jeden anständigen Regisseurs war, und (o Wunder) auf diese Art war es anscheinend zu schaffen. Er vollführte die Prozedur mit etwas mehr Feuer, seine Hände verirrten sich zu ihren Brüsten, stöberten unter ihrer Bluse nach ihren Brustwarzen und spielten an ihnen mit Daumen und
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