Das 2. Buch Des Blutes - 2
forderte alle auf, sie sollten die nächste Stunde rausgehen und sich entspannen. Die Truppe machte sich auf den Weg und fibrierte vor wiedererwachter Begeisterung für die Inszenierung. Was einen halben Tag zuvor wie ein wüstes Durcheinander ausgesehen hatte, schien sich jetzt ganz gut zu entwickeln.
Natürlich gab’s noch tausenderlei Dinge auszumerzen: technische Mängel, schlecht sitzende Kostüme, Regieschwächen. Für Profis mußte das aber zu schaffen sein. Die Schauspieler waren tatsächlich schon lange nicht mehr so aufgekratzt gewesen.
Selbst Ed Cunningham war sich nicht zu gut, ein oder zwei anerkennende Bemerkungen fallenzulassen.
Lichfield fand Tallulah beim Aufräumen im Künstlerzimmer.
»Heute abend…«
»Ja, Sir.«
»Du darfst keine Angst haben.«
»Ich hab’ keine Angst«, antwortete Tallulah. »Was für ein Gedanke! Als ob…«
»Es wird wohl nicht ganz ohne Schmerz abgehen, bedauerlicherweise. Das betrifft dich, ja eigentlich uns alle.«
»Ich verstehe.«
»Freilich tust du das. Du liebst das Theater, wie ich es liebe: da kennst das Paradox dieses Berufs. Das Leben spielen… ach, Tallulah, das Leben spielen… das ist schon eine sonderbare Sache. Weißt du, manchmal frage ich mich, wie lange ich die Illusion aufrechterhalten kann.«
»Die Darbietung ist wunderbar«, sagte sie.
»Findest du? Findest du das wirklich?« Ihr wohlmeinendes Urteil machte ihm Mut. Es war so aufreibend, die ganze Zeit so tun zu müssen, als ob: das Fleisch vorzutäuschen, den Atem, den Augenschein des Lebens. Voll Dankbarkeit für Tallulahs Wohlwollen streckte er die Hand nach ihr aus.
»Möchtest du sterben, Tallulah?«
»Tut es weh?«
»Fast überhaupt nicht.«
»Es würde mich sehr glücklich machen.«
»Und das soll es auch.«
Sein Mund bedeckte ihren Mund, und indem sie glücklich seiner forschenden Zunge nachgab, war sie in weniger als einer Minute tot. Er bettete sie auf die fadenscheinige Couch und verschloß die Tür des Künstlerzimmers mit ihrem eigenen Schlüssel. In dem kalten Zimmer konnte sie mühelos auskühlen und bis zur Ankunft des Publikums wieder auf den Beinen sein.
Um viertel sieben stieg Diane Duvall vor dem Elysium aus einem Taxi. Es war schon ganz dunkel, ein windiger Novemberabend, aber sie fühlte sich bestens. Nichts konnte sie heute abend deprimieren. Nicht die Dunkelheit, nicht die Kälte.
Ungesehen ging sie an den Plakaten vorbei, die ihr Gesicht und ihren Namen trugen, und durch den leeren Zuschauerraum gelangte sie bis zu ihrer Garderobe. Dort fand sie das Objekt ihrer Zuneigung, das sich durch eine Packung Zigaretten tauchte. »Terry.«
Im Türrahmen stellte sie sich einen Augenblick lang in Positur und ließ die Tatsache ihres Wiedererscheinens einwirken. Er wurde ganz weiß bei ihrem Anblick, deshalb schmollte sie ein bißchen. Es war nicht leicht, einen Schmollmund zu ziehen.
Starre saß in ihren Gesichtsmuskeln, aber sie bekam den Effekt zu ihrer Zufriedenheit hin.
Calloway blieb die Sprache weg. Diane schaute krank aus, da gab es nichts dran zu deuteln, und wenn sie das Krankenhaus verlassen hatte, um bei der Generalprobe ihre Partie zu übernehmen, dann würde er sie umgehend vom Gegenteil überzeugen müssen. Sie trug kein Make-up, und ihr aschblondes Haar hatte das Waschen dringend nötig.
»Was tust du hier?« fragte er, als sie die Tür hinter sich zumachte.
»Unerledigte Arbeit«, sagte sie.
»Hör mal… Ich muß dir was sagen …« Mann, das würde ganz schön ekelhaft werden. »Wir haben einen Ersatz gefunden, für die Inszenierung.«
Sie sah ihn ausdruckslos an.
Er hastete weiter, stolperte über die eigenen Worte: »Wir haben gedacht, du fällst aus, ich meine, nicht auf Dauer, aber, du weißt schon, zumindest für die Premiere…«
»Vergiß es«, sagte sie.
Der Unterkiefer fiel ihm ein Stück runter. »Vergiß es?«
»Was geht’s mich an?«
»Du hast gesagt, du bist zurückgekommen, die Arbeit sei unerledi…«
Er hielt inne. Sie knöpfte das Oberteil ihres Kleides auf. Das ist nicht ihr Ernst, dachte er, das kann nicht ihr Ernst sein! Sex?
Jetzt?
»Ich hab’ viel nachgedacht in den letzten paar Stunden«, sagte sie, während sie das verkrumpelte Kleid über die Hüften zwängte, es fallen ließ und aus ihm herausstieg. Sie trug einen weißen BH und versuchte vergebens, ihn aufzuhaken. »Ich bin zu dem Schluß gekommen, daß mir nichts am Theater liegt.
Hilfst du mir, bitte?«
Sie drehte sich um und präsentierte ihm den
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