Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das 2. Buch Des Blutes - 2

Das 2. Buch Des Blutes - 2

Titel: Das 2. Buch Des Blutes - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
Vom Netzwerk:
nicht Gewalt, was sie befürchtete: aber irgend etwas fürchtete sie.
    »Bedauerlicherweise habe ich den Part schon meiner Frau versprochen.«
    »Was ?« Fast fielen ihr die Augen raus bei dieser Unverschämtheit.
    »Und Constantia übernimmt die Rolle.«
    Sie lachte über den Namen. Womöglich war dies hier letztlich doch hochgestochene Komödie. Irgendwas von Shirdan oder Wilde, kesses, ätzendes Zeug. Aber er sprach mit solch absoluter Gewißheit. Constantia übernimmt die Rolle; als ob die ganze Sache schon gelaufen wäre.
    »Ich will da nicht mehr drüber reden, Sie Knacker, wenn also Ihre Frau die Viola spielen möchte, dann muß sie’s eben draußen, auf der bekackten Straße tun. Klar?«
    »Sie wird morgen in der Premiere spielen.«
    »Sind Sie taub oder blöd oder beides?«
    Aufgepaßt, sagte ihr eine innere Stimme, du übertreibst dein Spiel, die Szene gerät dir außer Kontrolle.
    Er trat auf sie zu, und die Spiegelbeleuchtung brachte das Gesicht unter der Krempe ganz zum Vorschein. Sie hatte nicht sorgfältig genug hingeschaut, als er sich zum erstenmal zeigte: Jetzt sah sie die tief eingegrabenen Linien, die Einsackungen um seine Augen und seinen Mund. Das war kein Fleisch, da war sie ganz sicher. Er trug aufgeklebte Latexteile, und sie saßen nur schlecht über den entsprechenden Stellen. Die Hand zuckte ihr fast vor Verlangen, danach zu greifen und sein wirkliches Gesicht aufzudecken.
    Aber ja. Das war es! Die Szene, die sie spielte, hieß die Entlarvung.
    »Mal schaun, wen wir da vor uns haben«, sagte sie, und ihre Hand war an seiner Wange, bevor er sie zurückhalten konnte.
    Sein Lächeln wurde noch breiter, während sie ihn angriff. Er will es nicht anders, dachte sie, aber es war zu spät für Skrupel oder Beschönigungen. Ihre Fingerspitzen hatten den Masken-saum am Rand seiner Augenhöhle gefunden und hakten dahinter, um sich besseren Halt zu verschaffen. Ruckartig zog sie an.
    Die dünne Latexmaske löste sich, und seine wahre Physiogno-mie wurde rückhaltlos zur Schau gestellt. Diane versuchte zurückzuweichen, aber seine Hand war in ihrem Haar. Ihr blieb nur übrig, in dies fast fleischlose Gesicht hinaufzusehen.
    Hie und da kringelten sich ein paar verdorrte Muskelstränge, und die Andeutung eines Barts hing von einem ledrigen Lappen an seiner Kehle, Aber alles lebende Gewebe war schon seh langem verwest. Der größte Teil seines Gesichts bestand einfach aus Knochen: fleckig und verwittert.
    »Man hat mich«, sagte der Schädel, »nicht einbalsamiert. Im Gegensatz zu Constantia.«
    Die Erklärung entging Diane. Sie gab keinen Laut des Protests von sich, obschon ihn die Szene durchaus gerechtfertigt hätte.
    Sie brachte nur noch ein Gewimmer heraus, als der Zugriff seiner Hand sich verschärfte und er ihr den Kopf zurückriß.
    »Früher oder später müssen wir uns entscheiden«, sagte Lichfield, und sein Atem roch nun weniger nach Schokolade ab nach profunder Fäulnis, »wem wir dienen wollen: uns selber oder unsrer Kunst.«
    Sie begriff nicht so recht.
    »Die Toten müssen ihre Wahl sorgfältiger treffen als die Lebenden. Wir können unseren Atem nicht vergeuden, wenn Sie die Redensart entschuldigen, es sei denn für die allerreinsten Wonnen. Die Kunst, denk’ ich, willst du nicht, oder?«
    Sie schüttelte den Kopf und hoffte inständig, daß das die erwartete Antwort war.
    »Du willst das Leben des Fleisches, nicht das Leben der Phantasie. Und du sollst es haben.«
    »Danke… schön.«
    »Wenn du’s durchaus willst, sollst du’s auch haben.«
    Plötzlich umschloß seine Hand, die so schmerzhaft an ihrem Haar gezerrt hatte, ihren Hinterkopf und brachte ihre Lippen nach oben, damit sie den seinen begegneten. Da hätte sie nun wohl geschrien, als sein verrottender Mund sich auf den ihren heftete, aber sein Kuß war so eindringlich, daß er ihr zur Gänze den Atem verschlug.
    Ryan fand Diane ein paar Minuten vor zwei auf dem Boden ihrer Garderobe. Es war schwer herauszubekommen, was geschehen war. An Kopf oder Körper zeigten sich keinerlei Anzeichen einer Verwundung, und ganz tot war sie auch nicht.
    Sie war anscheinend in einer Art Koma. Vielleicht war sie ausgeglitten und hatte sich beim Fallen den Kopf angeschlagen.
    Egal, welche Ursache, jedenfalls war sie ausgezählt, aus dem Spiel.
    Sie hatten nur noch Stunden bis zur Generalprobe, und die Viola lag im Rettungswagen auf dem Weg in die Intensivstation.
    »Je eher sie diesen Schuppen hier abreißen, desto besser«, sagte

Weitere Kostenlose Bücher