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Das 2. Buch Des Blutes - 2

Das 2. Buch Des Blutes - 2

Titel: Das 2. Buch Des Blutes - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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(durch den allgegenwärtigen Mr. Lichfield), die Vorstellung mit oder ohne den Regisseur in Angriff zu nehmen.
    »Er wird oben sein auf der Galerie«, sagte Lichfield. »Tatsächlich, ich glaube, ich kann ihn von hier aus sehen.«
    »Lächelt er?« fragte Eddie.
    »Grinst von einem Ohr zum ändern.«
    »Dann ist er blau.«
    Die Schauspieler lachten. Es wurde ziemlich viel gelacht an diesem Abend. Die Vorstellung verlief reibungslos, und obwohl sie das Publikum wegen des grellen Scheins der neu installierten Rampenlichter nicht sehen konnten, spürten sie sehr wohl die Wogen von Zuneigung und Entzücken, die ihnen aus dem Auditorium entgegenschlugen. Die Schauspieler kamen ganz euphorisch von der Bühne.
    »Sie sitzen alle auf der Galerie«, sagte Eddie, »aber Ihre Freunde, Mr. Lichfield, sind eine Wohltat für ‘nen alten Schmierenfritzen. Leise sind sie schon, aber alle ein Mordslächeln im Gesicht.«
    Akt I, Szene 2; und der erste Auftritt von Constantia Lichfield wurde mit spontanem Beifall aufgenommen. Sagenhafter Beifall. Wie das dumpfe Schnarren von Wirbeltrommeln, wie das spröde Schlagen von tausend Stöcken auf tausend gespannten Häuten. Überschwenglicher, ungezügelter Applaus.
    Und, mein Gott, sie zeigte sich der Herausforderung gewachsen. Sie fing gleich so zu spielen an, wie sie es fortzusetzen gedachte: Sie erfüllte die Rolle ganz mit ihrem Herzblut, sie brauchte keine Körperlichkeit, um die Tiefe ihrer Empfindungen mitzuteilen, sondern artikulierte des Dichters Worte mit solcher Verständigkeit und Leidenschaft, daß das geringste Flattern ihrer Hand mehr wert war als hundert aufwendigere Gesten. Nach dieser ersten Szene brauste ihr bei jedem Auftritt derselbe Beifall aus dem Publikum entgegen, dem beinah ehrfürchtiges Schweigen folgte.
    Hinter der Bühne bekam die Zuversicht allmählich Oberhand.
    Alle aus der Truppe witterten den Erfolg, einen Erfolg, der wie durch ein Wunder den Fängen der Katastrophe entrissen worden war.
    Da, schon wieder! Applaus! Applaus!
    Verschwommen registrierte Hammersmith in seinem Büro durch einen trüben Besäufnisschleier das brüchige Gerassel der Beifallssalven.
    Er war gerade dabei, sich seinen achten Drink einzuschenken, ab die Tür aufging. Er schaute einen Augenblick lang auf und registrierte, daß der Besucher dieser Parvenü Calloway war.
    Wetten, der kommt bloß, um es mir hinzureiben, dachte Hammersmith, kommt, um mir zu sagen, wie sehr ich mich geirrt habe.
    »Was wollen Sie?«
    Der Drecksack antwortete nicht. Aus dem Augenwinkel nahm Hammersmith so etwas wie breites, strahlendes Lächeln auf Calloways Gesicht wahr. Süffisanter Schwachkopf, kommt hier rein und stört einen beim Trauern.
    »Nehm’ an, Sie wissen’s schon?«
    Der andere grunzte.
    »Sie ist gestorben«, sagte Hammersmith und begann zu weinen. »Sie ist vor wenigen Stunden gestorben, ohne das Bewußtsein wiedererlangt zu haben. Den Schauspielern hab’
    ich nichts gesagt. Wozu auch.«
    Calloway erwiderte nichts auf diese Neuigkeit. War das dem Scheißkerl egal? Kapierte er nicht, daß damit alles Sense war?
    Die Frau war tot. Hier mitten im Elysium war sie zu Tod gekommen. Man würde öffentliche Nachforschungen anstellen, die Versicherung würde überprüft, eine Obduktion, die Feststellung der Todesursache: Zu viel käme ans Licht.
    Er nahm einen großen Schluck aus seinem Glas und machte sich nicht mehr die Mühe, Calloway nochmals anzusehen.
    »Ihre Karriere wird im Keller landen, mein Sohn, nach dem hier. Nicht bloß ich häng’ drin, o nein, mein Guter!«
    Noch immer verharrte Calloway in Schweigen.
    »Macht Ihnen das nichts aus?« bohrte Hammersmith weiter.
    Einen Moment lang Schweigen, dann antwortete Calloway.
    »Ist mir furzegal.«
    »Ein raufgerutschter kleiner Inspizient sind Sie, sonst nichts.
    Keiner von euch Scheißregisseuren is’ was andres! Eine gute Kritik, und ihr seid ein Geschenk Gottes für die Kunst. Jetzt werd’ ich Ihnen mal Bescheid stoßen…«
    Er schaute Calloway an, seine in Alkohol schwimmenden Augen taten sich schwer mit der Scharfeinstellung. Aber schließlich kriegte er es hin.
    Calloway, der dreckige Sauhund, war von der Gürtellinie abwärts nackt. Er hatte seine Schuhe und seine Socken an, aber weder Hose noch Slip. Seine Selbstentblößung hätte man für komisch halten können, wäre nicht dieser Ausdruck in seinem Gesicht gewesen. Der Mann war verrückt geworden: Stier und haltlos rollten seine Augen herum, Speichel und Rotz liefen ihm aus

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