Das 2. Buch Des Blutes - 2
sagte der Schädel. »Ist schon wirklich ein Jammer, daß diese Truppe so bald aufgelöst werden soll.«
»Ja, wirklich«, sagte die Leiche.
Die Schauspieler riefen jetzt in die Seitenkulisse nach Calloway, forderten ihn auf, sich ihnen anzuschließen. Sie klatschten ihm Beifall und ermunterten ihn, sich sehen zu lassen. Er legte die Hand auf Lichfields Schulter. »Wir gehen zusammen, Sir«, sagte er.
»Nein, nein, wie könnte ich.«
»Sie müssen einfach. Es ist ebensogut Ihr Triumph wie meiner.«
Lichfield nickte, und zusammen gingen sie hinaus, um inmitten der Truppe ihre Verbeugungen zu machen.
Hinter der Bühne war Tallulah an der Arbeit. Nach ihrem Schlaf im Künstlerzimmer fühlte sie sich wiederhergestellt. So viele Unannehmlichkeiten waren hingeschwunden, fortgeräumt samt ihrem Leben. Sie litt nicht mehr an den Schmerzen in der Hüfte oder an der schleichenden Neuralgie in ihrer Kopfhaut. Sie brauchte nicht mehr durch Luftröhren Atem holen, die mit siebzigjährigem Schmutz überkrustet waren, oder sich die Handrücken massieren, um die Durchblutung in Gang zu bringen; nicht einmal der Drang zu zwinkern plagte sie. Sie legte das Feuer mit einer neuen Kraft, führte die Überbleibsel vergangener Inszenierungen einer neuen Bestimmung zu: alte Prospekte, Requisiten, Kostümteile. Als sie genügend Brennmaterial angehäuft hatte, entzündete sie ein Streichholz und hielt die Flamme daran. Das Elysium begann zu brennen.
Über den Beifall hinweg rief jemand: »Einsame Spitze, meine Süßen, einsame Spitze!«
Es war Diane, sie erkannten sie alle an der Stimme, wenn sie sie auch nicht so recht sehen konnten. Sie torkelte den Mittelgang entlang auf die Bühne zu und gab eine ziemlich lächerliche Figur ab.
»Blödes Luder«, sagte Eddie.
»Hoppla«, sagte Calloway.
Sie war jetzt am Bühnenrand und geiferte ihn an: »Wunschlos glücklich jetzt, ja ? Mit deiner neuen Herzensflamme da, ja? Ist sie doch, oder?«
Sie versuchte hinaufzuklettern und hielt sich mit den Händen an der heißen Metallabschirmung der Rampenleuchten fest.
Gleich fing die Haut zu schmoren an: der Teufel war wirklich und wahrhaftig los.
»Reißt sie doch jemand da weg, um Gottes willen!« rief Eddie.
Aber sie spürte augenscheinlich nicht, daß ihre Hände versengten; sie lachte ihm nur ins Gesicht. Der Geruch verbrannten Fleisches stieg von den Rampenleuchten auf. Die Truppe stob auseinander, der Triumph war vergessen.
Jemand gellte: »Die Beleuchtung aus!«
Ein Schlag, dann war die Bühnenbeleuchtung gelöscht. Diane fiel mit qualmenden Händen auf den Rücken. Einer wurde ohnmächtig, ein anderer lief in die Seitenkulissen, um sich zu erbrechen. Irgendwo im Hintergrund war schwaches Flammengeknister zu hören, aber aller Aufmerksamkeit war anderweitig in Anspruch genommen.
Da die Rampenlichter abgeschaltet waren, konnten sie das Publikum genauer sehen. Das Parkett war leer, aber der erste Rang und die Galerie waren zum Bersten voll mit glühenden Bewunderern. In den Reihen staute sich das Publikum, jeder verfügbare Zentimeter war vollgestopft. Wieder fing droben jemand zu klatschen an, ein paar Sekunden lang allein, bis die Beifallwoge erneut einsetzte. Aber jetzt hatten nur wenige aus der Truppe ihre Freude daran.
Selbst von der Bühne aus, selbst mit überanstrengten, lichtüberreizten Augen war es offensichtlich, daß kein Mann, keine Frau und kein Kind in dieser Schwärmermenge am Leben war.
Sie winkten den Schauspielern zu mit feinen Seidentaschentüchern in verwesten Fäusten, einige von ihnen trommelten Salut auf die Rücklehne des Vordersitzes, die meisten klatschten einfach, Knochen gegen Knochen.
Calloway lächelte, verneigte sich tief und nahm ihre Bewunderung mit Dankbarkeit entgegen. In den fünfzehn Jahren seiner Arbeit am Theater war ihm noch nie ein derart anerkennendes Publikum vergönnt gewesen.
In der Liebe ihrer Bewunderer badend, reichten sich Constantia und Richard Lichfield die Hand und schritten auf der Bühne nach vorn, um sich nochmals zu verneigen. Die lebenden Schauspieler hingegen wichen zurück vor Grausen.
Sie fingen an zu kreischen oder zu beten, sie brachen in Geheul aus und rannten irr umher wie frisch ertappte Ehebrecher in einer Farce. Aber wie in der Farce gab es keinen Ausweg aus der Lage. Grelle Flammen züngelten an den Dachquerbalken, und Leinwandwogen stürzten in Kaskaden links und rechts herab, als der Schnürboden Feuer fing. Vorn: die Toten; hinten: der Tod. Der Rauch ließ
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