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Das 2. Buch Des Blutes - 2

Das 2. Buch Des Blutes - 2

Titel: Das 2. Buch Des Blutes - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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sie standen. Die automatischen Türen zischten, als ein Reisender herauskam, der dem Kind auf dem Rücksitz seines Wagens Kuchen und Hamburger mitbrachte.
    »Bestimmt hat irgendein netter Fahrer noch ein Plätzchen für uns frei«, sagte Lichfield.
    »Für uns alle?« fragte Calloway.
    »In einem Lastwagen schon; Bettler dürfen keine zu hohen Ansprüche stellen«, sagte Lichfield. »Und Bettler sind wir jetzt: den Launen unsrer Gönner ausgeliefert.«
    »Wir können immer noch ein Auto klauen«, sagte Tallulah.
    »Zu Diebstahl besteht kein Anlaß, außer in extremen Notfällen«, sagte Lichfield. »Es sollte mich wundern, wenn Constantia und ich keinen Chauffeur auftreiben.« Er nahm seine Frau bei der Hand. »Der Schönheit kann keiner was abschlagen«, sagteer.
    »Und was sollen wir machen, wenn jemand fragt, was wir hier treiben?« fragte Eddie nervös. Er hatte sich in dieser Rolle noch nicht zurechtgefunden; er brauchte moralische Unterstützung.
    Lichfield wandte sich der Truppe zu, und seine Stimme dröhnte in der Nacht: »Was sollt ihr wohl machen?« sagte er. »Das Leben spielen, selbstverständlich! Und lächeln!«
    Erst nach der ersten Woche ihrer Jugoslawienfahrt entdeckte Mick, was für einen politisch verbohrten Dogmatiker er sich als Lover zugelegt hatte. Sicher, man hatte ihn gewarnt. Eine der Schwuchteln in der Badeanstalt hatte ihm gesagt, Judd wäre päpstlicher als der Papst, der reine Kommunistenfresser, aber der Typ war einer von Judds Verflossenen gewesen, und Mick hatte angenommen, daß dieser Rufmord mehr auf Gehässigkeit als auf Erfahrung basierte.
    Hätte er doch drauf gehört! Dann würde er jetzt nicht in einem Volkswagen, der mit einem Mal die Größe eines Sarges zu haben schien, eine endlose Straße entlangfahren und sich Judds Ansichten über den Expansionsdrang der Sowjets anhören.
    Gott, wie der ihn anödete! Der redete nicht normal mit ihm, der hielt Vorträge, und das endlos. In Italien war der Sermon mehr oder minder darauf hinausgelaufen, daß die Kommunisten den bäuerlichen Wählerauftrag ausgenützt hätten. Jetzt, in Jugoslawien, hatte sich Judd so richtig für sein Thema erwärmt, und Mick war drauf und dran, ihm mit dem Hammer eins über den restlos von sich eingenommenen Schädel zu braten.
    Nicht daß er alles, was Judd sagte, abgelehnt hätte. Manche seiner Argumente (diejenigen, die Mick verstand) klangen ganz vernünftig. Aber andererseits, was konnte er schon beurteilen? Er war Tanzlehrer. Judd war Journalist, ein professioneller Besserwisser. Wie die meisten Journalisten, die Mick untergekommen waren, fühlte er sich verpflichtet, zu allem und jedem eine Meinung parat zu haben. Politik ganz obenan; das war der beste Trog zum Sichdrin-Suhlen. Man konnte den Rüssel samt Augen, Kopf und Vorderfüßen in diesen Dreckfraß stecken, ihn in der Gegend rumspritzen und sich auf die Weise bestens amüsieren. Ein zum Runterschlabbern unerschöpflicher Gegenstand, ein Schweinetrank mit einem bißchen von allem drin, denn schließlich war Judd zufolge alles politisch.
    Die Künste waren politisch. Sex war politisch. Religion, Handel, Gartenarbeit, essen, trinken und furzen - alles politisch.
    Mann, war das zum Verrücktwerden anödend; tötete einem den Nerv, vergraulte einem die Liebe; mörderisch anödend.
    Und, schlimmer noch, Judd bemerkte anscheinend nicht, wie angeödet Mick mittlerweile war, oder wenn er es bemerkte, dann war’s ihm egal. Er schwafelte einfach weiter, seine Argumente wurden immer fadenscheiniger, seine Sätze mit jedem Kilometer, den sie fuhren, länger.
    Judd war, das stand für Mick jetzt fest, ein egoistischer Scheißer, und sobald ihre Hochzeitsreise vorbei wäre, würde er den Kerl sausenlassen.
    Erst bei ihrer Tour, jener endlosen, sinn- und zwecklosen Karawane durch die Friedhöfe mitteleuropäischer Kultur, erkannte Judd, was für einen politischen Blindgänger er sich mit Mick eingehandelt hatte. Der Bursche zeigte herzlich wenig Interesse an der Wirtschaft oder Politik der Länder, durch die sie kamen. Gegenüber den der Situation Italiens zugrunde liegenden knallharten Fakten erwies er sich als gleichgültig, und er gähnte, ja, gähnte, wenn er (freilich vergeblich) versuchte, die Bedrohung des Weltfriedens durch Rußland zu erörtern. Er mußte der bitteren Wahrheit ins Auge sehen: Mick war eine Schwuchtel; das war die einzig passende Bezeichnung für ihn. Schön, vielleicht künstelte er nicht weibisch nun oder behängte sich

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