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Das 2. Buch Des Blutes - 2

Das 2. Buch Des Blutes - 2

Titel: Das 2. Buch Des Blutes - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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übermäßig mit Schmuck, aber trotzdem war er ‘ne Schwuchtel, die sich überglücklich in einer Traumwelt aus Frührenaissancefreskos und jugoslawischen Ikonen suhlte. Die komplexen Faktoren, die Widersprüche, ja die Qualen, die jene Kulturen erblühen und welken ließen, langweilten ihn bloß. Seine geistige Substanz war um nichts bedeutsamer als sein Aussehen; er war eine appetitliche Null.
    Nette Hochzeitsreise, das.
    Die Straße südlich von Belgrad nach Novi Pazar war, nach jugoslawischen Maßstäben, gut. Es gab weniger Schlaglöcher als auf vielen Straßen ihrer bisherigen Reise, und sie war verhältnismäßig gerade. Das Städtchen Novi Pazar lag im Tal der Raska, südlich der Stadt, die nach dem Fluß benannt war.
    Die Gegend schien bei den Touristen nicht besonders beliebt.
    Trotz der guten Straße war sie noch immer unzugänglich und hatte auch keine überragenden Attraktionen zu bieten; aber Mick wollte unbedingt das Kloster westlich des Städtchens Sopocani besichtigen, und nach einigem erbitterten Wortgeplänkel hatte er sich durchgesetzt.
    Der Abstecher erwies sich als wenig anregend. Die bebauten Felder zu beiden Seiten der Straße sahen versengt und staubig aus. Der Sommer war ungewöhnlich heiß gewesen, und Dürreperioden machten vielen Dörfern zu schaffen. Es hatte Mißernten gegeben, und oft mußte der Viehbestand vorzeitig geschlachtet werden, um zu verhindern, daß er an Unterernährung einging. Ein entmutigter Ausdruck lag über den wenigen Gesichtern, die sie flüchtig am Straßenrand zu sehen bekamen. Selbst die Kinder hatten düstere Mienen; Stirnen so dräuend wie die abgestandene Hitze, die über dem Tal lastete.
    Nach einem Krach bei Belgrad waren die Karten auf dem Tisch; jetzt fuhren sie die meiste Zeit über schweigend dahin.
    Aber die gerade Straße forderte wie die meisten geraden Straßen zum Disput heraus. Wenn das Fahren keine Probleme bereitete, stöberte das Bewußtsein nach etwas herum, womit es sich inzwischen beschäftigen konnte. Und was ist besser als ein Streit?
    »Warum, verdammt, mußt du dieses elende Kloster besichtigen?« begehrte Judd auf.
    Eine unmißverständliche Herausforderung.
    »Wo wir jetzt schon so weit gekommen sind…« Mick versuchte, einen harmlosen Plauderton beizubehalten. Er hatte keine Lust, sich rumzuzanken.
    »Noch so’n paar bekackte Jungfrauen, oder?«
    Mick nahm den Reiseführer zur Hand und las, die Stimme so cool, wie es irgend ging, laut daraus vor: »… für den Kunstliebhaber sind dort bis heute einige der größten Werke serbischer Malerei zu besichtigen, insbesondere die >Ruhestätte der Jungfrau<, nach einhelliger Meinung vieler Kommentatoren das bleibende Meisterwerk der Raska-Schule.«
    Schweigen.
    Dann Judd: »Mir stehn die Kirchen bis hier oben.«
    »Es ist ein Meisterwerk.«
    »Sind immer Meisterwerke, wenn’s nach diesem Scheißbuch geht.«
    Mick spürte, wie er langsam die Beherrschung verlor. »Höchstens zweieinhalb Stunden…«
    »Ich hab’ dir’s gesagt, ich will keine Kirche mehr sehen; bringt mich zum Kotzen, wie’s dort riecht. Kalter Weihrauch, alter Schweiß und Lügenmärchen…«
    »Ist doch nur ein kurzer Umweg; wir können dann wieder auf die Hauptstrecke, und du kannst mir die nächste Vorlesung über Landwirtschaftssubventionen im Sandzak-Gebiet halten.«
    »Ich versuch’ lediglich, irgendeine halbwegs passable Unterhaltung in Gang zu bringen - statt diesem endlosen Geseiche über bekackte serbische Meisterwerke…«
    »Halt an!«
    »Was?«
    »Halt an!«
    Judd lenkte den Volkswagen an den Straßenrand. Mick stieg aus.
    Die Straße war heiß, aber es ging eine leichte Brise. Er holte tief Luft und schlenderte zur Straßenmitte. Leer in beiden Richtungen, kein Verkehr, kein Mensch. Leer nach allen Richtungen. Die Berge schimmerten in der Hitze, die von den Feldern aufstieg. Mohnblumen wuchsen in den Gräben. Mick überquerte die Straße, ging in die Hocke und pflückte eine.
    Hinter sich hörte er die VW-Tür zuknallen.
    »Wozu haben wir hier eigentlich halten müssen?« fragte Judd.
    Seine Stimme klang gereizt, hoffte noch immer auf den Streit, bettelte darum.
    Mick stand auf und spielte dabei mit der Mohnblume. Sie war kurz vor dem Ausstreuen der Samen, fast reif. Die Blütenblätter fielen von der Kapsel ab, sobald er sie berührte; kleine Spritzer Rot flatterten auf den grauen Straßenbelag hinunter.
    »Ich hab’ dich was gefragt«, sagte Judd wieder.
    Mick schaute sich um. Judd stand auf der anderen

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