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Das 2. Buch Des Blutes - 2

Das 2. Buch Des Blutes - 2

Titel: Das 2. Buch Des Blutes - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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die Luft knapp werden. Man konnte überhaupt nicht mehr sehen, wo man den nächsten Schritt hinsetzte. Jemand trug eine Toga aus brennender Leinwand und seine Rezitation waren Schreie. Ein andrer schwang einen Feuerlöscher gegen das Inferno. Alles vergeblich: eine müde Pantomime, schlecht bewältigt. Als das Dach nachzugeben begann, stürzten Bauholz und Eisenträger todbringend herab und brachten das meiste zum Schweigen.
    Auf der Galerie war die Besucherschar mehr oder minder dahingeschwunden. Lang bevor noch die Feuerwehr auftauchte, schlenderten alle gemächlich zu ihren Gräbern zurück; die Feuersglut beleuchtete ihre Totenhemden und ihre Gesichter, wenn sie über die Schulter zurückblickten, um dem Untergang des Elysiums zuzusehen. Es war eine blendende Inszenierung gewesen, und sie waren froh, nach Hause zu kommen, durchaus bereit, wieder eine Zeitlang in der Dunkelheit zu tratschen.
    Das Feuer brannte die ganze Nacht, ungeachtet der stets tapferen Anstrengungen der Feuerwehr, es zu löschen. Gegen vier Uhr morgens gab man den Kampf auf und ließ die Feuersbrunst gewähren. Sie war bei Tagesanbruch mit dem Elysium fertig.
    In den Trümmern entdeckte man die sterblichen Überreste mehrerer Personen, die meisten Leichen waren in einem Zustand, der eine einfache Identifizierung unmöglich machte.
    Zahnärztliche Unterlagen wurden zugezogen, und man bestimmte einen Leichnam als den von Giles Hammersmith (Geschäftsführer), einen weiteren als den von Ryan Xavier (Bühneninspizient) und, schockierenderweise, einen dritten als den von Diane Duvall. STAR VON »DAS KIND DER LIEBE«
    VERBRANNT, hieß es in der Boulevardpresse. Innerhalb einer Woche war sie vergessen.
    Es gab keine Überlebenden. Mehrere Opfer wurden einfach nie gefunden.
    Sie standen neben der Autobahn und sahen zu, wie die Wagen durch die Nacht jagten.
    üchfield war selbstverständlich dabei und Constantia, strahlend wie immer. Calloway hatte sich entschlossen, mit ihnen zu gehen, ebenso Eddie und Tallulah. Auch drei oder vier andere hatten sich der Truppe angeschlossen.
    Es war die erste Nacht ihrer Freiheit, und schon waren sie hier auf der Straße, reisende Schauspieler. Eddie hatte allein der Rauch getötet, aber es gab in ihrem Kreis welche mit ernsthafteren, im Feuer davongetragenen Verletzungen. Verbrannte Leiber, zerbrochene Glieder. Aber das Publikum, für das sie in Zukunft spielen wollten, würde ihnen die geringfügigen Verstümmelungen verzeihen.
    »Man kann ein Leben für die Liebe leben«, sagte Lichfield zu seinem neuen Ensemble, »und ein Leben für die Kunst. Wir glückliche Schar sind von letzterem überzeugt.«
    Leiser Beifall unter den Schauspielern.
    »Zu euch, die nie gestorben sind, darf ich wohl sagen: Willkommen in der Welt!«
    Gelächter, weiterer Applaus.
    Die Lichter der Wagen, die auf der Autobahn nach Norden rasten, ließen die Schattenrisse der Truppenmitglieder hervortreten. Sie sahen praktisch und letztlich wie lebende Männer und Frauen aus. Aber war das schließlich nicht das A und O
    ihres Handwerks? Das Leben so gut nachzuahmen, daß das Trugbild vom Original ununterscheidbar war? Und ihre neue Theatergemeinde, die sie in den Leichenhallen, Friedhöfen und Beinhäusern erwartete, würde diese Kunstfertigkeit mehr als die meisten zu schätzen wissen. Wer sollte wohl das Blendwerk von Leidenschaft und Schmerz, das sie aufführen wollten, beifälliger begrüßen als die Toten, die solche Gefühle am eignen Leib erlebt und am Ende von sich geworfen hatten?
    Die Toten. Sie brauchten Unterhaltung geradesogut wie die Lebenden; und sie waren ein sträflich vernachlässigter Markt.
    Was freilich nicht hieß, daß diese Truppe um Geld spielen wollte; sie wollte um der Liebe zu ihrer Kunst willen spielen.
    Lichfield hatte das gleich zu Anfang klargemacht: Apollo war mit sofortiger Wirkung der Dienst aufgekündigt.
    »Also«, sagte er, »welche Route nehmen wir, nach Norden oder Süden?«
    »Nach Norden«, sagte Eddie. »Meine Mutter liegt in Glasgow begraben, sie ist gestorben, ehe ich noch Berufsschauspieler war. Ich hätte gern, daß sie mich sieht.«
    »Gut dann, nach Norden!« sagte Lichfield. »Jetzt brauchen wir nur noch ein Gefährt.«
    Er ging ihnen Richtung Autobahnraststätte voran; die Neonlichter flackerten unruhig und verbannten die Nacht aus ihrem Umkreis. Die Farben waren theatralisch grell: Scharlach, Zitrusgrün, Kobalt und ein verwaschenes Weiß, das sich aus den Fenstern auf den Parkplatz ergoß, wo

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