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Das 4. Buch des Blutes - 4

Das 4. Buch des Blutes - 4

Titel: Das 4. Buch des Blutes - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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darauf aufmerksam zu machen, daß er noch am Leben sei. Als sie ihn nicht hörten, setzte Panik ein, aber egal, wie sehr er brüllte, die Worte machten keinen Eindruck. Ihm blieb nichts anderes übrig, als dazuliegen und sich in diesem letzten Schlafzimmer hermetisch einschließen zu lassen.
    Der Traum übersprang ein paar Rillen. Jetzt konnte er irgendwo über seinem Kopf den wehklagenden Bestattungsritus hören. » Des Menschen Leben währet nur kurze Zeit… « Er hörte das Knarren der Seile, und der Schatten des Grabs schien das Dunkel zu verdunkeln. Er wurde in die Erde hinabgelassen, versuchte noch immer, aus Leibeskräften zu protestieren. Aber die Luft wurde allmählich stickig in diesem Loch; es fiel ihm immer schwerer zu atmen, geschweige denn seine Klagen herauszuschreien. Er schaffte es lediglich, ein Fitzchen abgestandene Luft durch seine Nebenhöhlen zu ziehen, aber sein Mund schien mit etwas vollgestopft zu sein, Blumen vielleicht, und er konnte den Kopf nicht bewegen, um sie auszuspucken. Jetzt konnte er den dumpfen Aufprall von Erdschollen auf Sargholz spüren, und Gott im Himmel, wenn er nicht links und rechts von sich das Geräusch von Würmern hören konnte, die sich die Fresse leckten. Sein Herz pumpte, nahe am Zerplatzen. Sein Gesicht, da war er sicher, mußte von der Anstrengung seiner verzweifelten Atemholversuche blau-schwarz sein.
    Dann war, wie durch ein Wunder, jemand bei ihm im Sarg, jemand, der sich abmühte, ihm die knebelnde Beengung aus dem Mund, vom Gesicht zu zerren.

    »Mr. George!« sagte sie, dieser Engel des Erbarmens. Er öffnete die Augen in der Dunkelheit. Es war die Schwester von diesem Krankenhaus, in dem er gewesen war – sie war auch im Sarg. »Mr. George!« Sie war von panischer Angst ergriffen, dieses Muster an Ruhe und Geduld; sie weinte fast, während sie sich abkämpfte, ihm seine Hand vom Gesicht zu zerren.
    » Sie ersticken sich ja! « brüllte sie ihm ins Gesicht.
    Zusätzliche Arme halfen jetzt bei dem Kampf, und sie gewannen. Drei Schwestern waren nötig, um seine Hand zu entfernen, aber schließlich hatten sie Erfolg. Charlie begann, wieder zu atmen, ein Luft-Schlemmer.
    »Sind Sie okay, Mr. George?«
    Er öffnete den Mund, um den Engel zu beruhigen, aber seine Stimme hatte ihn vorübergehend im Stich gelassen.
    Verschwommen nahm er wahr, daß sich seine Hand am Ende seines Armes noch immer rebellisch gebärdete.
    »Wo ist Jeudwine?« keuchte er. »Holen Sie ihn bitte.«
    »Der Doktor ist im Augenblick nicht erreichbar, aber er kommt heute noch vorbei, um nach Ihnen zu sehen.«
    »Ich will ihn jetzt sehen.«
    »Machen Sie sich keine Gedanken, Mr. George«, entgegnete die Schwester in wiederhergestellter Krankenpflegemanier,
    »wir geben Ihnen jetzt nur ein leichtes Beruhigungsmittel, und dann können Sie eine Weile schlafen.«
    »Nein!«
    »Doch, Mr. George!« antwortete sie bestimmt. »Machen Sie sich keine Gedanken. Sie sind in guten Händen.«
    »Ich will auf keinen Fall mehr schlafen. Die haben Gewalt über einen, wenn man schläft, kapieren Sie das nicht?«
    »Sie sind hier sicher.«
    Er wußte es besser. Er wußte, daß er nirgendwo sicher war, nicht jetzt. Nicht, solange er noch eine Hand hatte. Sie war jetzt nicht mehr unter seiner Kontrolle, sofern sie das tatsächlich je gewesen war. Vielleicht war es nur eine Vorspiegelung von Knechtschaft, die sie diese gut vierzig Jahre an den Tag gelegt hatte, ein Theater, um ihn nur ja in der Illusion der Autokratie zu wiegen. All das hätte er gern gesagt, aber nichts davon wollte in seinen Mund passen. Statt dessen sagte er bloß:
    »Nicht mehr schlafen.«
    Aber die Schwester hatte ihre Vorgehensweisen. Die Station war bereits mit Patienten überfüllt, stündlich wurden es mehr (von schrecklichen Szenen im CVJM hatte sie eben erfahren: Dutzende von Opfern; versuchter Massenselbstmord), ihr blieb praktisch nichts übrig, als die Unglücklichen ruhigzustellen und zur Tagesordnung überzugehen. »Nur ein leichtes Beruhigungsmittel«, sagte sie nochmals, und im nächsten Moment hatte sie eine schlummerspeiende Nadel in der Hand.
    »Hören Sie mir nur einen Moment zu«, sagte er in der Hoffnung, einen Argumentationsprozeß in Gang zu bringen.
    Aber für Debatten war sie nicht zu haben.
    »Jetzt seien Sie doch kein solches Baby«, tadelte sie, als er in Tränen ausbrach.
    »Sie haben nichts begriffen«, erklärte er, während sie ihm die Vene an seiner Armbeuge herausmassierte.
    »Das können Sie alles Dr.

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