Das 4. Buch des Blutes - 4
Jeudwine erzählen, wenn er bei Ihnen reinschaut.« Die Nadel war in seinem Arm, der Injektionskolben injizierte.
»Nein!« sagte er und riß sich los. Solche Gewalt hatte die Schwester nicht erwartet. Der Patient war auf und aus dem Bett, ehe sie die Injektion beenden konnte, die Spritze baumelte noch von seinem Arm,
»Mr. George«, sagte sie streng. »Gehen Sie bitte wieder ins Bett!«
Charlie deutete mit seinem Stumpf auf sie.
»Bleiben Sie mir vom Leib«, sagte er.
Sie versuchte, ihn zu beschämen. »Alle andern Patienten benehmen sich anständig«, sagte sie, »warum Sie nicht auch?«
Charlie schüttelte den Kopf. Mittlerweile war die Spritze aus seiner Vene geglitten und fiel, noch dreiviertel voll, auf den Boden. »Ich sag’s Ihnen nicht noch mal.«
»Damit liegen Sie verdammt richtig«, sagte Charlie.
Er stürmte davon, die Station hinunter, angefeuert von Patienten links und rechts von ihm. »Los, Junge, los«, schrie jemand. Verspätet nahm die Schwester die Verfolgung auf, aber an der Tür intervenierte ein Spontan-Komplize und warf sich ihr buchstäblich in den Weg. Charlie war außer Sicht und im Gewirr der Korridore untergetaucht, bevor sie wieder auf den Beinen und hinter ihm her war.
Er sah bald ein, daß man sich in dem Gebäude spielend verirren konnte. Das Krankenhaus war im späten neunzehnten Jahrhundert erbaut, dann erweitert worden, wie es öffentliche Mittel und Spenden eben erlaubten: ein Flügel 1911, ein zweiter nach dem Ersten Weltkrieg, weitere Stationen in den Fünfzigern und der Chaney-Memorial-Flügel 1973. Das Gebäude war ein Labyrinth. Sie würden eine Ewigkeit brauchen, ihn zu finden.
Das Problem war, daß er sich nicht besonders gut fühlte. Der Stumpf seines linken Arms hatte mit dem Abklingen der Schmerzkiller-Wirkung begonnen weh zu tun, und Charlie hatte entschieden den Eindruck, daß er unter dem Verband blutete. Noch dazu hatte das Sedativquantum aus der Spritze die Reaktionen seines Organismus verlangsamt. Er fühlte sich etwas belämmert, und er war sich sicher, daß man ihm seine Verfassung auch ansah. Aber er würde es nicht dazu kommen lassen, daß man ihn wieder in dieses Bett, wieder in den Schlaf lockte, ehe er sich nicht irgendwo an einem ruhigen Plätzchen hingesetzt und die ganze Angelegenheit durchdacht hatte.
Er fand in einem winzigen, von einem der Korridore abgehenden Zimmer Zuflucht, das mit Aktenschränken und Krankenbericht-Stapeln vollgestopft war; es roch etwas feucht.
Sein Weg hatte ihn in den Memorial-Trakt geführt, wenngleich er das nicht wußte. Ein siebenstöckiger Monolith, finanziert mit einem Legat von Millionär Frank Chaney. Die Baufirma des Industriemagnaten selbst hatte, nach testamentarischer Verfügung des Alten, die Konstruktionsarbeiten übernommen.
Sie hatten Materialien unterhalb der Norm und ein defektes Kanalisationssystem verwendet, weshalb Chaney auch als Millionär gestorben war, und der Trakt zerfiel vom Keller an aufwärts. Charlie ließ sich in eine klamme Nische zwischen zwei Schränken gleiten, völlig den Blicken entzogen, sollte jemand zufällig hereinkommen, hockte sich auf den Boden und verhörte seine Hand.
»Also?« forderte er in vernünftigem Tonfall. »Raus mit der Sprache.«
Sie stellte sich dumm.
»Zwecklos«, sagte er. »Ich bin über dich im Bilde.«
Keine Reaktion. Sie saß einfach am Ende seines Arms, unschuldig wie ein kleines Kind.
»Du hast versucht, mich umzubringen…« klagte er sie an.
Jetzt öffnete sich die Hand ein wenig, ohne seine Anweisung, und fügte sich ihm dies eine Mal.
»Du könntest es wieder versuchen, nicht wahr?« Ominös fing sie an, ihre Finger zu biegen und zu strecken, wie ein Pianist, der sich auf ein besonders schwieriges Solo vorbereitet. Ja , sagte sie, das könnt’ ich jederzeit.
»Faktisch kann ich kaum was tun, um dich dran zu hindern, oder?« sagte Charlie. »Früher oder später wirst du mich überrumpeln. Es kann ja schlecht jemand den Rest meines Lehens auf mich aufpassen. Ich frag’ mich nur, was wird dann aus mir? So gut wie tot, was?«
Die Hand schloß sich ein wenig, die fleischigen Berge ihrer Innenfläche runzelten sich zu Furchen der Freude, ja , sagte sie jetzt, du bist erledigt, du armer Narr, und du kannst auch nicht das mindeste dagegen tun .
»Du hast Ellen getötet.«
Hab’ ich , lächelte die Hand.
»Du hast mir die andere Hand abgetrennt, damit sie abhauen kann. Stimmt’s?«
Stimmt , sagte die Hand.
»Ich hab’s gesehen,
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