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Das 4. Buch des Blutes - 4

Das 4. Buch des Blutes - 4

Titel: Das 4. Buch des Blutes - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Habseligkeiten auf, um zu seinem Unbehagen festzustellen, daß Popes Augen auf ihm ruhten. Der Alte hatte, erschöpft und geschlagen, seine Proteste aufgegeben. E sah bedauernswert aus. Karney öffnete die Hände, um anzudeuten, daß er nichts von dem Haufen weggenommen habe. Pope offerierte, an Stelle einer Antwort, ein winziges Kopfnicken.
    »Ich hab’s!« schrie Catso triumphierend, »ich hab’ den kleinen Kacker!« und zog eine Flasche Wodka aus einer der Taschen. Pope war entweder zu geschwächt, um zu bemerken, daß man seinen Alkoholvorrat ergattert hatte, oder zu müde, um sich darüber aufzuregen; wie auch immer, jedenfalls beklagte er sich mit keinem Ton, als ihm der Schnaps entwendet wurde.
    »War’s das schon?« wollte Brendan wissen. Er hatte zu kichern begonnen; ein hohes, nervöses Lachen, das seine Erregung signalisierte. »Womöglich hat der Hund da noch mehr, wo das herkommt«, sagte er, ließ dabei Popes Hände fallen und stieß Catso beiseite. Letzterer machte keinen Einwand gegen die Behandlung; er hatte seine Flasche und war zufrieden. Er brach den Hals ab, um eine Ansteckung zu vermeiden, ging im Dreck in die Hocke und begann zu trinken.
    Jetzt, da Brendan die Sache in die Hand genommen hatte, ließ Red Pope los. Er war von dem Spiel offensichtlich angeödet.
    Brendan dagegen fing gerade an, daran Geschmack zu finden.
    Red ging zu Karney hinüber und warf mit der Spitze seines Stiefels den Stapel von Popes Habseligkeiten um.
    »Bekackte Pleite«, konstatierte er empfindungslos.
    »Tja«, sagte Karney und hoffte, daß sich mit Reds Mißvergnügen das Ende der Erniedrigung des Alten abzeichnete. Aber Red hatte Brendan den Knochen zugeworfen, und er war nicht so dumm, ihn sich zurückzuholen. Karney hatte Brendans Fähigkeit zur Gewalt schon miterlebt; er verspürte nicht den Wunsch, dem Mann neuerlich bei der Arbeit zuzusehen. Seufzend stand er auf und kehrte Brendans Aktivitäten den Rücken. Das Echo von der Tunnelwand war jedoch allzu beredt: ein Gemisch aus Fausthieben und atemlosen Obszönitäten. Erfahrungsgemäß war Brendan durch nichts zu bremsen, ehe seine rasende Wut nicht verraucht war. Jeder, der unklug genug wäre, ihn zu unterbrechen, würde sich seinerseits in der Rolle des Opfers wiederfinden.
    Red war zur anderen Tunnelseite hinübergeschlendert, hatte sich eine Zigarette angezündet und sah mit beiläufigem Interesse zu, wie die Bestrafung vollstreckt wurde. Karney schaute sich flüchtig nach Catso um. Der kauerte nicht mehr, sondern saß im Dreck, die Wodkaflasche zwischen den ausgestreckten Beinen. Er grinste vor sich hin, taub für das flehentliche Gefasel, das aus Popes zerschmettertem Mund fiel.
    Karney fühlte sich mies bis in die Magengrube. Mehr um seine Aufmerksamkeit von der Prügelaktion abzulenken als aus echtem Interesse, kehrte er zu dem aus Popes Taschen geklauten Kram zurück, stocherte mechanisch darin herum und hob eine der Photographien auf, um sie genauer zu betrachten.
    Das Photo eines Kindes; aber es war unmöglich, irgendwelche Schlüsse in punkto Familienähnlichkeit zu ziehen: Popes Gesicht war inzwischen kaum mehr erkennbar. Ein Auge war wegen eines anschwellenden Blutergusses bereits im Begriff, sich zu schließen. Karney schleuderte die Photographie samt den anderen Mementos von sich. Dabei fiel ihm ein Stück geknotete Kordel ins Auge, das er vorher übersehen hatte.
    Flüchtig blickte er wieder zu Pope auf. Das verschwollene Auge war zu, das andere wirkte wie blind. Zufrieden, daß ihm niemand zusah, zog Karney die wie eine Schlange zusammengerollte Schnur aus ihrem Nest im Abfall heraus.
    Knoten faszinierten ihn schon immer. Obwohl ihm für theoretische Kniffeleien jegliche Geschicklichkeit abging (Mathematik war ihm ein Buch mit sieben Siegeln; die Vertracktheiten der Sprache desgleichen), hatte er schon immer einen Sinn für greifbarere Rätsel. Mit einem Knoten zum Beispiel, einem Puzzle oder einem Zugfahrplan konnte er sich, wunschlos glücklich in sich versunken, stundenlang beschäftigen. Das Interesse ging auf seine Kindheit zurück, die einsam gewesen war: Was eignete sich, in Ermangelung von Vater und Geschwistern, besser zur Gesellschaft als ein Puzzlespiel?
    Hin und her drehte und wendete er das Stück Schnur, untersuchte eingehend die drei in gut zwei Zentimeter Abstand angebrachten Knoten in seinem mittleren Abschnitt. Sie waren groß und asymmetrisch und schienen keinem erkennbaren Zweck zu dienen, allenfalls dem vielleicht,

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