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Das 4. Buch des Blutes - 4

Das 4. Buch des Blutes - 4

Titel: Das 4. Buch des Blutes - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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verdreckten Gabardinemantels.
    »Wen meinst’n?« antwortete das schmutzverkrustete Gesicht.
    Mit Nagetieraugen musterte der Penner das Quartett der jungen Männer, die ihn in die Enge getrieben hatten. Der Tunnel, in dem sie ihn aufgestöbert hatten, als er sich gerade erleichterte, gab zur Hoffnung auf Hilfe keinerlei Anlaß; das wußten die vier, und er, so schien es, ebenfalls. »Ich weiß nicht, wovon du redest.«
    »Du hast dich vor Kindern hergezeigt«, sagte Red.
    Der Mann schüttelte den Kopf, Speicheltropfen rannen ihm von der Lippe in sein verfilztes Bartgestrüpp. »Ich hab’ nichts getan«, beteuerte er.
    Brendan schlenderte zu dem Mann hinüber, dumpf hallten die Schritte im Tunnel. »Wie heißen Sie?« erkundigte er sich mit trügerischer Höflichkeit. Obwohl ihm Reds Körpergröße und herrisches Gehabe abgingen, ließ die Narbe, die Brendans Wange von der Schläfe bis zum Unterkiefer zeichnete, darauf schließen, daß er über Leiden Bescheid wußte, sowohl im Geben wie im Nehmen. » Den Namen «, verlangte er. »Ich frag’
    Sie nicht noch mal.«
    »Pope«, brummelte der Alte, »Mr. Pope.«
    Brendan grinste. »Mr. Pope?« sagte er. »Schön. Wir haben gehört, daß Sie unschuldigen Kindern diesen fiesen kleinen Fimmel von Ihnen vorführen. Was haben Sie dazu zu sagen?«
    »Nein«, entgegnete Pope unter nochmaligem Kopf schütteln.
    »Das ist nicht wahr. So was hab’ ich noch nie gemacht.« Als er die Stirn runzelte, bekam der Schmutz auf seinem Gesicht Sprünge wie ein rissiger Bodenbelag, eine zweite Dreckhaut, die ihm in vielen Monaten gewachsen war. Wäre nicht dieser Alkoholduft von ihm ausgegangen, der das Schlimmste von seinem Körpergestank überdeckte, dann wäre es nahezu unmöglich gewesen, sich in weniger als einem Meter Abstand von ihm aufzuhalten. Der Mann war menschlicher Abschaum; eine Schande für seine Gattung.
    »Was geben wir uns ab mit dem?« sagte Karney. »Er stinkt.«
    Red warf einen flüchtigen Blick über die Schulter, um die Störung zum Schweigen zu bringen. Mit seinen Siebzehn war Karney der jüngste, und in der unausgesprochenen Rangordnung des Quartetts zu einer Meinungsäußerung kaum befugt. Er sah nun auch seinen Fehler ein und verstummte, überließ es Red, sich wieder dem Stadtstreicher zuzuwenden.
    Red schubste Pope rückwärts gegen die Tunnelwand. Beim Aufprallen auf den Beton stieß der Alte einen Schrei aus; sein Echo hallte hin und her. Karney, der aus früherer Erfahrung wußte, wie die Szene von jetzt ab verlaufen würde, entfernte sich und betrachtete eine vergoldete Mückenwolke am Tunnelausgang. Obwohl es ihm Spaß machte, mit Red und den beiden anderen zusammenzusein – die Kameradschaft, die kleinen Diebereien, das Trinken –, war diese Art von Zeitvertreib noch nie besonders nach seinem Geschmack gewesen. Er konnte nichts Witziges daran finden, irgendein betrunkenes menschliches Wrack wie Pope aufzustöbern und das bißchen Hirn, das in seinem geistesgestörten Kopf noch übrig war, aus ihm herauszuprügeln. Karney fühlte sich schmutzig dabei, und er wollte nichts damit zu tun haben.
    Red zerrte Pope von der Wand weg und spie dem Mann einen Schwall Beschimpfungen ins Gesicht, schleuderte ihn dann, als keinerlei passende Reaktion erfolgte, ein zweites Mal gegen die Tunnelwand zurück, heftiger als zuvor, um unmittelbar darauf den Atemlosen bei beiden Rockaufschlägen zu packen und ihn durchzuschütteln, bis er klapperte. Popes Blick huschte verstört die Geleise hinauf und hinunter. Auf dieser Strecke war einmal eine Bahn verkehrt, zwischen Highgate und Finsbury Park. Inzwischen war die Linie stillgelegt, und der Durchstich war öffentliches Parkland, beliebt bei frühmorgendlichen Joggern und spätabendlichen Liebespaaren.
    Zu dieser Stunde jedoch, mitten an einem feucht-kühlen Nachmittag, war die Gleisstrecke nach beiden Richtungen hin verlassen.
    »He«, sagte Catso, »zerbrich ihm seine Flaschen nicht.«
    »Stimmt«, sagte Brendan, »wir sollten ihm das Gesöff abknöpfen, bevor wir seinen Schädel knacken.«
    Als er hörte, daß ihm sein Schnaps weggenommen werden sollte, fing Pope an, um sich zu schlagen, aber das Herumgestrampel brachte seinen Fänger nur in Rage. Red hatte eine Stinklaune. Der Tag war, wie die meisten Tage in diesem Altweibersommer, drückend und langweilig. Nur die Kippe einer vertanen Saison zum Auslutschen; nichts zu tun und kein Geld zum Ausgeben. Irgendeine Unterhaltung war angesagt, und es fiel Red und Pope zu, als

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