Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das 4. Buch des Blutes - 4

Das 4. Buch des Blutes - 4

Titel: Das 4. Buch des Blutes - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
Vom Netzwerk:
er sich der Mauer zu, an der er gelehnt hatte. Sie lag im Sonnenschein, und sie war warm: die Ziegel dufteten köstlich. Er bedeckte ihre sandigen Stirnseiten mit Küssen, während seine Hände jeden Winkel und Spalt erkundeten. Verliebten Unsinn murmelnd, öffnete er den Reißverschluß, fand eine fügsame Vertiefung und füllte sie aus. Fließende Bilder durchströmten sein Hirn: vermischte Anatomien, weiblich und männlich, in einem einzigen, die Konturen auflösenden Vereinigungsprozeß. Über ihm hatten selbst die Wolken Feuer gefangen; bezaubert von ihren brennenden Häuptern, spürte er in seinen Weichteilen den Augenblick kommen. Atem war jetzt knapp. Aber die Ekstase?
    Die hörte sicher nie mehr auf.
    Ohne Vorwarnung jagte ihm ein Schmerzspasmus das Rückgrat hinunter, von der Großhirnrinde zu den Hoden, und wieder zurück; Zuckungen beutelten ihn. Seine Hände verloren den Halt im Mauerwerk, und während er auf das Pflaster stürzte, beendete er seinen marternden Höhepunkt in der Luft.
    Mehrere Sekunden lang blieb er liegen, wo er zusammengebrochen war; die Echos des Ausgangsspasmus’
    tanzten sein Rückgrat hinauf und hinunter, verringerten sich mit jeder Wiederholung. Hinten in seinem Hals konnte er Blut schmecken; er war sich nicht sicher, ob er sich auf die Lippe oder die Zunge gebissen hatte, aber er glaubte es eigentlich nicht. Über seinem Kopf kreisten die Vögel weiter, stiegen träge auf einer Spirale warmer Luft in die Höhe. Er sah zu, wie das Feuer in den Wolken versickerte.
    Er stand auf und schaute zu der Menge Samenmünzen hinunter, die er auf dem Pflaster verschleudert hatte. Einen flüchtigen Moment lang erhaschte er noch einmal einen schwachen Abglanz der Vision, die er eben gehabt hatte; stellte sich eine Vermählung seines Spermas mit dem Pflasterstein vor. Was für grandiose Kinder könnte die Welt haben, so dachte er, wenn es mir nur gelänge, mich mit Ziegel oder Baum zu paaren. Mit Freuden würde er die Qualen der Empfängnis dulden, wenn solche Wunder möglich wären. Aber der Pflasterstein blieb ungerührt gegenüber den inständigen Bitten seines Spermas; die Vision erkaltete wie das Feuer über ihm und verbarg ihre Herrlichkeiten.
    Er steckte sein blutbeflecktes Glied weg und lehnte sich gegen die Wand, ließ sich die seltsamen Vorkommnisse seiner jüngsten Vergangenheit aber und abermals durch den Kopf gehen. Irgendeine grundlegende Veränderung vollzog sich in ihm, daran zweifelte er nicht; die ekstatische Raserei, die von ihm Besitz ergriffen hatte (und ohne Zweifel wieder von ihm Besitz ergreifen würde), war mit nichts vergleichbar, was er bisher erlebt hatte. Und was immer sie ihm injiziert hatten –
    nichts ließ darauf schließen, daß es auf natürlichem Weg ausgeschieden wurde; weit gefehlt. Er konnte die Hitze noch immer in sich spüren, wie damals beim Verlassen der Versuchsanstalt; aber diesmal war das Brausen ihrer Gegenwart lauter als je zuvor.
    Es war eine neue Art Leben, das er lebte, und der Gedanke, wenngleich erschreckend, gab ihm ein triumphierendes Glücksgefühl. Kein einziges Mal kam es seinem rotierenden, erotisierten Hirn in den Sinn, daß diese neue Art Leben zu gegebener Zeit eine neue Art Tod erfordern würde.
    Carnegie war von seinen Vorgesetzten warnend daraufhingewiesen worden, daß man Ergebnisse erwartete; nun gab er die verbalen Prügel, die er abbekommen hatte, an seine Untergebenen weiter. Es war eine Bahn der Demütigung, auf der sich der Größere dazu ermuntert sah, den Kleineren zu treten, und dieser wiederum den Nächstkleineren. Carnegie fragte sich manchmal, woran der Mann am Ende der Linie wohl seine Wut ausließe; an seinem Hund vermutlich.
    »Dieser Schurke ist noch immer auf freiem Fuß, Gentlemen, trotz seinem Photo in den meisten Zeitungen heut morgen und einer Arbeitsweise, die, gelinde gesagt, unverschämt ist. Wir werden ihn natürlich schnappen, aber sehen wir zu, daß wir den Sauhund kriegen, ehe wir ’nen zweiten Mord auf dem Hals haben…«
    Das Telefon läutete. Boyles Ersatz, Migeon, hob ab, während Carnegie seinen Anfeuerungssermon an die versammelten Beamten abschloß.
    »Ich will ihn innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden, Gentlemen. Das ist das Zeitlimit, das sie mir gesetzt haben, und damit müssen wir auskommen. Vierundzwanzig Stunden.«
    Migeon unterbrach. »Sir? Es ist Johannson. Er sagt, er hat was für sie. Es is’ dringend.«
    »’n Ordnung.« Der Inspektor verlangte den

Weitere Kostenlose Bücher