Das 4. Buch des Blutes - 4
schnell.« Dooley nickte und öffnete die Haustür.
»Kann man vom oberen Stock aus irgendwo entkommen?«
wollte Boyle von Mrs. Morrisey wissen. Sie schüttelte den Kopf. »Dann ham wir ja den Sauhund in der Falle, oder?«
sagte er. »Na los doch, Dooley!« Dooley humpelte den Fußweg entlang davon. »Und Sie«, sagte Boyle zu der Frau, »holen was, das man als Waffe benutzen kam Irgendwas Stabiles.«
Die Frau nickte und ging wieder dorthin, woher sie gekommen war; Boyle blieb zusammengesackt neben der offenen Tür zurück. Ein leichtes Lüftchen kühlte den Schweiß auf seinem Gesicht. Am Wagen draußen forderte Dooley Verstärkung an.
Allzu bald, dachte Boyle, werden die Wagen hier sein, und der Mann im oberen Stock wird abtransportiert, um seine Aussage zu machen. Es würde keine Gelegenheit zur Rache geben, wenn er einmal in Haft war; das Gesetz würde seinen gemütlichen Lauf nehmen, und er, das Opfer, würde nur als Zuschauer danebenstehen. Wenn er die Ruinen seiner Männlichkeit überhaupt noch retten konnte, dann jetzt. Wenn er’s nicht tat – wenn er hier schlapp herumhing, mit brennendem Gedärm –, dann würde er das Grauen, das er über den Treuebruch seines Körpers empfand, niemals abschütteln.
Er mußte jetzt handeln – mußte diesem Schänder das Grinsen ein für allemal aus dem Gesicht schlagen – oder in Selbstekel leben, bis ihm das Gedächtnis versagte.
Er hatte gar keine andere Wahl. Ohne weitere Debatte erhob er sich aus seiner Hockstellung und stieg die Treppe hinauf.
Als er den Zwischenabsatz erreichte, fiel ihm ein, daß er keine Waffe bei sich hatte; er wußte jedoch, wenn er nochmals hinunterginge, würde er jegliche Schwungkraft verlieren. Im gleichen Augenblick auch schon bereit, nötigenfalls zu sterben, steuerte er weiter nach oben.
Auf dem oberen Treppenflur war nur eine Tür offen; aus ihr kam das Geräusch eines Radios. Einen Stock tiefer, in der Sicherheit der Halle, hörte er, wie Dooley hereinkam: ihm zu sagen, daß er den Funkspruch durchgegeben habe – nur um dann mitten im Satz abzubrechen. Ohne auf die Ablenkung zu achten, betrat Boyle die Wohnung.
Es war niemand da. Boyle brauchte nur wenige Augenblicke, um die Küche, das winzige Bad und das Wohnzimmer zu überprüfen: alles leer. Er ging wieder ins Bad, dessen Fenster offenstand, und streckte den Kopf hinaus. Man konnte sich durchaus aufs Gras im Garten unten fallen lassen. Am Boden war ein Abdruck vom Körper des Mannes. Er war gesprungen.
Und weg.
Boyle verfluchte seine Verspätung und ließ den Kopf hängen.
Ein Hitzegetröpfel rieselte an der Innenseite seines Beins hinunter. Im Zimmer nebenan dudelten die Liebeslieder weiter.
Für Jerome gab es kein Vergessen, diesmal nicht. Das Zusammentreffen mit Mrs. Morissey, das durch Dooley unterbrochen worden war, und die daran anschließende Episode mit Boyle hatten lediglich dazu beigetragen, das Feuer in ihm weiter anzufachen. Jetzt, im Schein dieser Flammen, sah er deutlich, welche Verbrechen er begangen hatte. Mit gräßlicher Klarheit erinnerte er sich an das Labor, die Injektion, die Affen, das Blut. Die Taten, derer er sich entsann (und es waren viele), riefen jedoch kein Gefühl der Sündhaftigkeit in ihm wach. Jegliche moralische Folgerung, jegliche Scham oder Reue wurde von den Feuerzungen ausgebrannt, die sein Fleisch eben jetzt in neue Verzückungen leckten.
Er suchte in einer stillen Sackgasse Zuflucht, um sich halbwegs anständig anzuziehen. Die Kleidungsstücke, die er sich vor seiner Flucht noch hatte schnappen können, waren bunt zusammengewürfelt, erfüllten aber sicher ihren Zweck: zu verhindern, daß er unwillkommene Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Während er sich zuknöpfte – wobei sich sein Körper wegen der Bedeckung zu verspannen schien, als sei er aufgebracht darüber, verhüllt zu werden –, versuchte er, das Inferno, das in seinem Schädel tobte, unter Kontrolle zu bringen. Aber die Flammen ließen sich einfach nicht abschwächen. Mit jeder einzelnen Faser schien er auf das Wirken und Weben der ihn umgebenden Welt anzusprechen.
Die in Reih und Glied entlang der Straße aufgestellten Bäume, die Mauer an seinem Rücken, ja selbst die Pflastersteine unter seinen nackten Füßen traf ein Funkenflug von ihm, und sie loderten jetzt ganz aus eigener Kraft. Er grinste angesichts der sich ausbreitenden Feuersbrunst. Die Welt erwiderte das Grinsen – in jedem einzelnen ihrer ungeduldigen Details.
Besinnungslos vor Erregung wandte
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