Das 5-Minuten-Grauen
Söhnchen!«
Ich wußte, daß Georgette darauf spekulierte. Sie brauchte die faden Komplimente, um sich selbst bestätigt zu sehen, deshalb nickte ich und gab noch einen Kommentar ab.
»Auf neunzig hätte ich keine von euch geschätzt.«
»Wie alt denn?«
Nur keinen Fehler machen, sagte ich mir. Die Antwort konnte fatale Folgen haben, denn Georgette wartete auf ein Kompliment.
»Nun ja…« Verdammt, die Zeit drängte. »Ich würde sagen…«
»Raus damit!«
»So zwischen fünfzig und sechzig!«
Hatte ich sie erwischt? War sie mit meiner Antwort zufrieden? Ich hatte nicht übertrieben, wartete ab und lauerte darauf, daß sie mir in die Parade fuhr und…
»Schön, Söhnchen, sehr schön. Ich merke schon, daß ich einen Frauenkenner vor mir habe. Ja, das ist genau das richtige Alter, in dem wir stehengeblieben sind. Wir haben den Teufel kennengelernt, als wir dieses Alter erreichten. Ist es nicht wunderbar?«
»Bestimmt.« Ich räusperte mich. »Für euch ist es toll, gratuliere, aber nicht für Rita.«
»Sie ist unser Garant, daß es so bleibt. Der Schlamm muß immer wieder regeneriert werden, damit er seine Kraft behält, die er auf uns übertragen kann.«
»Durch Rita?«
»Sie haben wir ausersehen.«
»Sie hat euch nichts getan. Ich möchte sie sehen, kannst du das verstehen, Georgette?«
Die ehemalige Chansonette nickte, wobei sich die Kapuze löste und zurückfiel. »Ja, das kann ich gut verstehen, sehr gut sogar. Ich will dich auch nicht drängen, ich liebe die Liebe, ich habe sie geliebt, aber das geht nicht mehr. Wir müssen an uns denken.«
»Werde ich auch in das Stundenglas…«
»Das glaube ich nicht. Dich töten wir so. Die Frische bekommen wir meistens von Frauen, von jungen Frauen. Männer liegen uns nicht so sehr. Viele sind schon in unsere Falle gelaufen, du glaubst nicht, wie viele junge Leute sich allein auf den Weg machen und die Bretagne durchwandern. Auf einmal sind sie verschwunden, einfach so, verstehst du? Sie kommen nicht mehr zurück. Zwar werden sie gesucht, bei uns war auch schon die Polizei. Man stellte uns Fragen, die wir allerdings nicht beantworten wollten. Und wer denkt bei vier netten alten Damen schon an Personen, die mit dem Teufel einen Pakt geschlossen haben?«
»Da haben Sie recht.« Ich lächelte süßsauer. »Noch eine Frage. Wer von euch will mich töten?«
»Das ist egal. Flora, Clara, Erica, oder ich. Was spielt das für eine Rolle. Wichtig ist, daß du uns nicht mehr in die Quere kommen kannst. Erica hätte es gern getan. Sie hält sich noch immer für einen Vamp und hätte dich zuvor noch mit ins Bett genommen, aber das wird ihr nicht vergönnt sein. Ich habe dich erwischt.«
Und ich erwischte sie!
Ich ging das Risiko ein, wobei ich hoffte, sie stark genug abgelenkt zu haben.
Blitzschnell hatte ich meine Hand von unten nach oben geschlagen und die Waffe erwischt.
Georgette wardermaßen überrascht worden, daß sie nicht abdrückte. Sie stierte in die Höhe, und mein zweiter Schlag schleuderte sie zu Boden, wobei ich gleichzeitig Zugriff und ihre Waffenhand erwischte, die ich herumdrehte.
Georgette ächzte auf. Sie war kein Zombie, denn sie verspürte einen tiefen Schmerz. Sie öffnete ihre Faust, löste den Druck der Finger um den Colt-Revolver, der der eigenen Fliehkraft gehorchte und zu Boden prallte.
Ich trat ihn zur Seite, stieß die Frau zurück, die auf das Bett flog, dort wieder in die Höhe federte und dann in meinem Griff hing wie ein halbgefüllter Sack mit Holz.
Aus großen Augen stierte sie mich an. Sie hielt dcen Mund offen, die Zunge schoß hervor und bewegte sich dabei zitternd. Ihre Perücke war verrutscht. Zurrechten Seite hing sie über, und Georgette bot einen lächerlichen Anblick, so daß ich mir ein Grinsen nicht verkneifen konnte.
»Ich glaube, wir werden jetzt einmal Klartext reden, alte Frau! Wie komme ich zu Rita?«
Sie bewegte zwar den Mund, eine Antwort allerdings wollte sie mir nicht geben. »Ich warte nicht mehr lange!« flüsterte ich. Den Stoff unter dem Kinn drehte ich fester.
»Die Treppe…«
»Die normale?«
»Nein, eine schmale.«
»Die wirst du mir zeigen, Georgette.« Ich zerrte sie vom Bett hoch. Wehrlos hing sie in meinem Griff. Ich schleifte sie dorthin, wo die beiden Schußwaffen lagen, und steckte sie ein.
»Wenn du schreist, Georgette, ist es für dich vorbei!« flüsterte ich ihr drohend ins Ohr.
»Ja — gut…«
Wir verließen das Zimmer. Im Gang schaute ich nach, ob er auch leer war.
Da
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