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Das 6. Buch des Blutes - 6

Das 6. Buch des Blutes - 6

Titel: Das 6. Buch des Blutes - 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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auf den Anwalt ein, doch der Hieb war schlecht gezielt. Die Klinge pflügte den Verputz der Wand und verfehlte ihr eigentliches Ziel um dreißig Zentimeter.
    Nach diesem Ausbruch von Gewalt warfen die Musiker ihre Instrumente weg und kamen durch die Halle, ihre Mäntel und Schweife glitten durch Blut und Schmiere. Harry sah sie aus den Augenwinkeln näher kommen. Hinter der Horde, immer noch im Schutz der Dunkelheit, befand sich eine weitere Gestalt, größer als der größte der Dämonen, die jetzt ein Pochen von sich gab, das von einem riesigen Dampfhammer hätte stammen können. Er versuchte, den Anblick und das Geräusch zu deuten, aber es gelang ihm nicht. Er hatte keine Zeit für Neugier, die Dämonen waren fast bei ihm.
    Butterfield sah sich um, damit er sie anfeuern konnte, und Harry – der seine Chance nutzte – schwang die Axt zum zweiten Mal. Der Hieb traf Butterfields Schulter, der Arm wurde auf der Stelle abgetrennt. Der Anwalt kreischte, Blut spritzte an die Wände. Aber Harry hatte keine Zeit mehr für einen dritten Schlag. Die Dämonen streckten mit tödlichem Grinsen die Hände nach ihm aus.
    Er drehte sich zur Treppe herum und lief, drei oder vier Stufen auf einmal nehmend, hinauf. Unten kreischte Butterfield, oben hörte Harry, wie Valentin seinen Namen rief. Er hatte weder Zeit noch genügend Luft, um zu antworten.
    Sie waren ihm auf den Fersen, grunzend und kreischend und flügelschlagend. Und hinter alledem stapfte der Dampfhammer zur Treppe, und sein Geräusch war weitaus furchteinflößender als das Schnattern der Berserker direkt hinter Harry. Es war in seinem Magen, dieses Pochen, in seinen Eingeweiden.
    Wie der Herzschlag des Todes, konstant und unerbittlich.
    Auf dem zweiten Treppenabsatz hörte er ein Summen näher kommen, drehte den Kopf nach hinten und sah einen Falter mit Menschenkopf, so groß wie ein Geier, der auf ihn zugeflogen kam. Er schlug mit der Axt danach und brachte ihn zu Fall. Ein aufgeregter Schrei ertönte von unten, als der Leichnam die Treppe hinunterkollerte, wobei die Schwingen wie Ruder zum Einsatz kamen. Harry raste die letzte Treppenflucht hinauf.
    Oben stand Valentin und lauschte. Er horchte nicht auf das Schnattern, auch nicht auf die Schreie des Anwalts, nur auf den Dampfhammer.
    »Sie haben den Raparee gebracht«, sagte er.
    »Ich habe Butterfield verwundet…«
    »Ich habe es gehört. Aber das wird sie nicht aufhalten.«
    »Wir können es immer noch mit der Tür versuchen.«
    »Ich glaube, es ist zu spät, mein Freund.«
    »Nein!« sagte Harry und drängte sich an Valentin vorbei.
    Der Dämon hatte es aufgegeben, Swanns Leichnam zur Tür zu schleppen, und den Magier statt dessen mit auf der Brust überkreuzten Armen mitten auf dem Flur liegen lassen. Als letzten geheimnisvollen Akt der Zuneigung hatte er zusammengeknüllte Papierkugeln zu Swanns Kopf und Füßen drapiert und ihm eine winzige Origamiblüte auf die Lippen gelegt. Harry verweilte nur kurz, um sich noch einmal Swanns friedlichen Gesichtsausdruck anzusehen, dann lief er zur Tür und machte sich daran, die Kette durchzuschlagen. Es war eine langwierige Arbeit. Der Angriff schadete der Axt mehr als den Kettengliedern. Aber er wagte nicht aufzugeben. Dies war jetzt ihr einziger Fluchtweg, davon abgesehen, daß sie sich aus einem der Fenster in den Tod stürzen konnten. Falls es zum Schlimmsten kam, würde er das tun. Lieber springen und sterben, als ihr Spielzeug werden.
    Die ständigen Hiebe machten seine Arme bald gefühllos. Es war aussichtslos, die Kette zeigte keinerlei Spuren. Seine Verzweiflung steigerte sich noch, als er Valentin aufschreien hörte – ein schriller, weinerlicher Ruf, den er nicht unbeantwortet lassen konnte. Er ließ die Feuertür in Ruhe und ging an Swanns Leichnam vorbei zur Treppe.
    Die Dämonen hatten Valentin. Sie umschwärmten ihn wie Wespen eine Zuckerstange und rissen ihn in Stücke. Einen Augenblick konnte er ihrer Raserei entkommen, und Harry sah die zerfetzte Menschenmaske und die blutig glänzende Wahrheit darunter. Er war ebenso scheußlich wie die, die ihn belagerten, aber Harry eilte ihm trotzdem zu Hilfe, um die Dämonen zu verwunden und auch, um ihre Beute zu retten.
    Die geschwungene Axt richtete hier und dort Schaden an, Valentins Angreifer purzelten sich überschlagend die Treppe hinunter, mit abgetrennten Gliedmaßen und klaffenden Wunden. Nicht alle bluteten. Aus einem aufgeschlitzten Bauch quollen Tausende von Eiern hervor, ein verletzter Kopf gebar

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