Das Abkommen
Angebot, meinen Fall vorzutragen, nicht angenommen zu haben. Anne und ich hatten lange darüber gesprochen, wie wahrscheinlich es war, dass Trainer den Überfall auf uns inszeniert hatte, doch irgendwann hatten wir die Diskussion ergebnislos abgebrochen. Letztendlich hatte dann aber keiner von uns einen Vorteil darin gesehen, jetzt zu gehen. Zu denken, dass wir einfach so von der Bildfläche verschwinden konnten, schien uns ein wenig zu optimistisch zu sein. Außerdem wartete Annes einer Mensch noch darauf, gerettet zu werden.
Aber ich hatte ihr nicht gesagt, was mit Ewings Entführern passiert war. Es hätte ihre Entscheidung nicht geändert, und ehrlich gesagt kam ich mir von der ganzen Aktion noch immer irgendwie schmutzig vor. Trainer hatte allerdings recht gehabt: Meine Schuld oder Unschuld stand bereits fest.
Mein anscheinend zur festen Einrichtung gewordenes Medienkontingent hatte sich in den letzten vierundzwanzig Stunden etwas vergrößert. Die Abendsonne fiel auf mindestens fünf mit Satellitenschüsseln ausgestattete Übertragungswagen. Von der üblichen Hektik, die immer dann ausbrach, wenn mein Wagen in Sicht kam, war heute nichts zu spüren, denn die Reporter hatten bereits Stellung bezogen und warteten auf mich, während sie ihre Mikrofone umklammerten und ihren Kameraleuten Anweisungen zuriefen. Sie mussten irgendwo einen Wachposten aufgestellt haben.
»Heute nicht, Stephen«, sagte ich.
Ich musste mich etwas seltsam angehört haben, denn sowohl er als auch Anne warfen mir einen besorgten Blick zu. Stephen nickte und trat aufs Gaspedal.
Über die Rettung von Ken Ewing wurde in sämtlichen Fernsehsendern und Zeitungen berichtet, doch dazu kam jetzt noch eine zweite Geiselnahme. Ein Mann in Iowa hatte seine Frau und sein Kind als Geiseln genommen und keinen Hehl daraus gemacht, dass er sie erschießen würde, wenn er nicht ganz schnell ein paar Zigaretten bekam. Mein letzter Informationsstand war, dass etwa fünfzig Polizisten sein Haus umstellt hatten und auf den Dächern der Nachbarhäuser Scharfschützen in Stellung gegangen waren. Paul Trainer hatte sich bereit erklärt, die Zigaretten zu liefern, allerdings unter der Bedingung, dass die Medien ausführliche Informationen über die von Drogenmissbrauch, Alkoholkonsum und Gewalttätigkeiten bestimmte Lebensgeschichte des Mannes bekamen.
In den Vereinigten Staaten waren Zigaretten inzwischen so gut wie gar nicht mehr erhältlich. Die angelegten Vorräte waren zusammengeschrumpft, und Schmuggel wurde eher halbherzig betrieben, da das organisierte Verbrechen die Situation allenfalls als vorübergehend einschätzte.
Natürlich hielt das niemanden davon ab, es trotzdem zu versuchen. Außer unserem Freund in Iowa gab es Berichten zufolge Tabakfarmer, die ihre Schrotffinten mit Salz füllten, um mitternächtliche Erntehelfer auf ihren Tabakfeldern zu vertreiben, und Reisebüros wurden überschwemmt mit Anfragen nach Langzeiturlauben in Ländern, in denen es ausländische Zigaretten noch in Hülle und Fülle gab.
Ich zuckte zurück, als die Reporter ihre Mikrofone gegen das Fenster rammten und unverständliche Fragen brüllten. Sie verfolgten uns bis in die Garage, doch als Stephen ausstieg, flüchteten sie auf die Einfahrt.
Auf meinem Anrufbeantworter war nur eine Nachricht, und ich machte den Fehler, auf die Wiedergabetaste zu drücken.
»Seit du berühmt geworden bist, höre ich gar nichts mehr von dir«, dröhnte Darius’ Stimme. »Ich gebe heute Abend eine Party. Wenn du ein paar Zigaretten mitbringst, wirst du mit Sicherheit ein paar Mädels aufreißen. Aber vielleicht muss ich mir ja auch eine Geisel suchen. Wie viele Stangen bekommt man denn heute so für eine Geisel?« Ich hörte eine lange Pause, als hätte er auflegen wollen und es sich dann noch einmal anders überlegt. »Oh, und wenn du kommst, bring bitte diese scharfe Blondine von Channel Six mit. Ich glaube, sie wohnt auf deinem Rasen.«
Anne starrte den Anrufbeantworter an, doch als sie bemerkte, dass ich sie ansah, änderte sich der Ausdruck auf ihrem Gesicht. »Ein Freund von Ihnen?«
»Ich bin mit ihm in die Schule gegangen«, sagte ich. »Aber ich weiß nicht, ob ich ihn als Freund bezeichnen soll.«
»Sie sollten hingehen«, sagte sie mit einer Distanz in der Stimme, die etwas gezwungen klang. »Das haben Sie sich verdient. Und ich bin sicher, dass ein Vizepräsident wie Sie noch irgendwo ein paar Zigaretten auftreiben kann.«
Meine Welt veränderte sich so
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