Das achte Opfer
schwacher, korrupter Mann, der allerdings über exzellente Beziehungen verfügte.« Der Anrufer lachte kurz auf, fuhr dann fort: »Schwach, korrupt und auf der anderen Seite plädiert er in seinen Liedern für Umweltbewußtsein und Nächstenliebe.«
»Aber noch einmal – was hat das mit den Morden in Frankfurt zu tun? Und wie viele Opfer wird es noch geben?«
»Keine Ahnung. Zwei, drei. Ich habe nur das Gefühl, der Mörder arbeitet sich von unten nach oben durch.«
»Was heißt das genau?«
»Finden Sie es heraus, ich kann jetzt nicht mehr sprechen. Leben Sie wohl.«
»Moment, eine Frage noch – hat Hauptkommissar Schnell etwas damit zu tun? Wird er bezahlt für Informationen wie zum Beispiel über Razzien, wann und wo sie stattfinden?«
Der Anrufer zögerte einen Moment, bevor er antwortete.»Vielleicht. Doch wenn, dann ist Schnell nur ein kleiner Fisch in einem riesigen Becken voller Raubfische. In dem Augenblick, in dem er nicht mehr kuscht, wird er beseitigt …«
»Das hört sich nach mehr als nur einem Vielleicht an …«
»Deuten Sie es, wie Sie wollen. Aber gut, er hat sich, genau wie ich, fangen lassen. Und jetzt wird er die Geister, die er gerufen hat, nicht mehr los. Aber es ist sein Problem, wenn er sich eine teure Geliebte hält, die an jedem Finger zehn andere, jüngere Liebhaber haben könnte. Wie es scheint, ist Bumsen wichtiger als Ehre. Doch so ist der Mensch, er gibt eher seinen Trieben nach als … Ich werde mich wieder melden.«
Er legte auf, ohne eine Erwiderung der Kommissarin abzuwarten. Sie steckte ihr Handy in die Jackentasche und ging zu ihrem Wagen. Frank Hellmer trat aus einem dunklen Hauseingang, kam ihr entgegen.
»Scheiße, was?« sagte er.
Julia Durant blickte ihn enttäuscht an. »Ich hab eben einen Anruf von unserem Informanten bekommen. Er hat die Hosen voll. Aber er hat mir einige recht interessante Informationen geliefert. Wie zum Beispiel die, daß alle bisher Ermordeten Mitglieder im Bereich der organisierten Kriminalität waren …«
»Domberger auch?« fragte Hellmer ungläubig.
»Ich wollte es auch nicht glauben, aber mein Informant war sehr bestimmt in seiner Aussage. Und er sprach davon, daß die OK ein globales Netzwerk ist.« Sie machte eine Pause, zündete sich eine Zigarette an. »Moment mal, der Anrufer hat auch den Begriff OK benutzt, der doch eigentlich nur von uns verwendet wird. Einer aus unseren Reihen? Na ja, und auf Schnell angesprochen, sagte er mehr durch die Blume, daß Schnell korrupt ist. Aber er sei nur ein kleinerFisch, und wenn er sich gegen die Organisation stellt, wird er kaltgemacht.«
»Gut, wenn Schnell also korrupt ist, dann ist er es nicht allein im Präsidium. Dann hängen noch einige andere drin. Doch wer? Und vor allem sollten wir uns die Frage stellen, ob nicht auch einige prominente Personen aus dem Bereich der Justiz …«
»Die gleiche Frage habe ich mir auch schon gestellt. Doch wer? Anders, Degen, unsere werte Oberstaatsanwältin Schweiger? Oder irgendein anderer Staatsanwalt oder Richter? Die Vorstellung allein jagt mir kalte Schauer über den Rücken. Kannst du dir das vorstellen?«
»Allerdings. Ich bin vielleicht auch manchmal verrückt, schaue zu oft zu tief ins Glas, aber eines kann ich dir garantieren – ich lasse mich nicht kaufen, und ich würde mich nie kaufen lassen. Aber ich weiß, es gibt viele Polizisten, die sich ohne weiteres kaufen lassen. Du brauchst doch nur durchs Bahnhofsviertel zu gehen und zu beobachten, welche Autos wegen überzogener Parkzeit einen Strafzettel bekommen und welche manchmal stunden- oder sogar tagelang an einem Platz stehen, ohne aufgeschrieben zu werden. Meinst du, das kommt von ungefähr? Und warum werden sie nicht aufgeschrieben? Weil sie bezahlen. Für einen kleinen Streifenbullen, der von seinem mickrigen Gehalt eine Familie ernähren muß, können fünfhundert oder tausend Mark zusätzlich im Monat eine Menge Geld sein, während es für den Zahler nicht mehr als ein Trinkgeld ist. Zumindest bei den unteren Diensträngen liegt die Misere doch häufig allein an der miesen finanziellen Situation.«
»Und wie können wir das in den Griff bekommen?« fragte Julia Durant nach einem weiteren Zug an ihrer Zigarette.
»Gar nicht«, erwiderte Hellmer lakonisch. »Zumindest wasdie unteren Positionen angeht. Lassen wir einen hochgehen, tritt ein anderer an seine Stelle. Und wenn er vielleicht auch so eine Art Ehrenkodex befolgen will, so wird er so lange unter Druck gesetzt, bis er
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