Das achte Opfer
möchte, daß die Computerspezialisten sich weiter darum kümmern. Fahren wir fort mit den vertraulichen Ermittlungen über Schnell, Anders und Degen. Irgend etwas Neues in dieser Richtung?«
»Nein«, sagte Oberkommissar Leitner. »Lediglich bei Staatsanwalt Anders ist etwas merkwürdig. Er ist heute weder zum Dienst erschienen, noch war er zu Hause. Seine Frau behauptete jedoch, er wäre im Büro zu erreichen. Bei seiner Sekretärin hat er sich aber nicht abgemeldet. Wir müssen abwarten, wie die Sache sich weiterentwickelt. Ich denke, wenn er bis heute abend nicht zu Hause ist, wird seine Frau sich schon melden.«
»Was könnte das zu bedeuten haben?« fragte KommissarinDurant. »Ich möchte jetzt nicht den Teufel an die Wand malen, aber . . .« Sie blickte Berger und danach Hellmer an.
»Sie wissen, was ich meine?«
Berger nickte nur.
»Darf man erfahren, um was es geht?« fragte Leitner.
»Wir haben heute wieder ein Schreiben erhalten, eines der Sorte, in dem ein weiterer Mord angekündigt wird. Es könnte immerhin sein . . .«
»Noch haben wir keine Leiche, und solange das nicht der Fall ist, gibt es auch keinen Toten. Außerdem spricht gegen eine Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation, daß Anders im Gegensatz zu einem Matthäus oder Neuhaus einen eher bescheidenen Lebensstil pflegte. Er hat jedenfalls nicht über seine Verhältnisse gelebt. Bei Schnell verhält es sich völlig anders. Seine vermutlichen Ausgaben liegen weit über seinem Einkommen als Hauptkommissar. Ihn sollten wir auf jeden Fall im Auge behalten«, sagte Leitner. »Wir werden an ihm dranbleiben.«
Als keine weiteren Wortmeldungen kamen, sagte Berger: »Belassen wir’s für heute dabei. Ich möchte Sie bitten, daß wir uns morgen nachmittag noch einmal kurz hier treffen, es sei denn, es kommt irgend etwas Wichtiges dazwischen. Ich danke Ihnen und möchte Sie abschließend noch einmal an Ihre Verschwiegenheit erinnern.«
Alle Beamten erhoben sich, verließen den Raum und begaben sich zurück in ihre Büros. Berger fragte Julia Durant im Hinausgehen: »Glauben Sie, daß Anders in Schwierigkeiten ist?«
»Vielleicht war er es«, erwiderte sie müde. »Ich weiß nicht mehr, was ich denken oder glauben soll. Es ist alles so verworren.« Sie stellte sich ans Fenster und stützte sich mit beiden Händen auf die Fensterbank. Eine Weile herrschte Stille in dem Zimmer, plötzlich drehte sie sich um.
»Mein Gott«, sagte sie und faßte sich an die Stirn. »Der anonyme Anrufer! Er hat zwar seine Stimme verstellt, und trotzdem war ich fest überzeugt, sie schon einmal gehört zu haben. Ich bin mir jetzt fast sicher . . . Wenn das stimmt, dann . . .« Sie schüttelte den Kopf, holte aus ihrer Handtasche eine Zigarette und zündete sie an.
»Wenn was stimmt?« fragte Berger.
»Anders. Es war Anders, der mich angerufen hat. Deshalb auch seine Angst um die Familie. Eine Frau und fünf Kinder. Kein Wunder, daß der Mann Angst hat . . .«
»Oder hatte«, warf Hellmer ein.
»Verdammt, warum bin ich nicht früher darauf gekommen?! Warum fällt mir erst jetzt sein Name ein? Ich hoffe nur, ihm ist nichts passiert.«
»Sie trifft keine Schuld«, sagte Berger. »Sie haben Ihr Bestes gegeben. Und vielleicht klärt sich das mit Anders auf ganz simple Weise. Warten wir’s einfach ab.« Er schaute zur Uhr, halb fünf. »Gehen Sie nach Hause, und versuchen Sie, ein wenig zu schlafen. Versuchen Sie, einfach abzuschalten«, sagte er mit fast väterlicher Stimme, »auch wenn ich weiß, wie schwer das in einem solchen Fall ist.«
Julia Durant versuchte ein Lächeln, das aber mißlang. Sie fühlte sich elend, eine leichte Übelkeit machte sich in ihrem Magen breit. Sie hatte fast zwei Schachteln Gauloises geraucht, außerdem war sie müde und erschöpft. Die Anstrengung der vergangenen Tage zeigte Wirkung.
»Trotzdem sollten Sie jederzeit erreichbar sein, ganz gleich, wo Sie sich aufhalten«, sagte Berger abschließend. »Man kann ja nie wissen.«
»Schon gut«, sagte die Kommissarin, nahm ihre Tasche und ging zur Tür. Sie drehte sich noch einmal um und sagte: »Anders ist tot, das spüre ich. Die Frage ist nur, ob wir jemals seine Leiche finden werden. Guten Abend.«
Hellmer und Berger sahen ihr hinterher, wie sie leise die Tür hinter sich zuzog. Zwei junge Polizeibeamte begegneten ihr auf dem Flur, ohne sie zu beachten. Sie lief die Treppe hinunter, zu ihrem Opel Corsa, setzte sich hinein. Es war eine Leere in ihr, wie sie sie lange nicht
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