Das achte Opfer
verspürt hatte. Sie hoffte, dieser Alptraum würde bald ein Ende haben. Cicero hatte es versprochen.
Donnerstag, 17.30 Uhr
Frank Hellmer quälte sich durch den Feierabendverkehr am Hauptbahnhof vorbei und über die Friedensbrücke, bis er schließlich nach einer halben Stunde in Niederrad ankam. Nadine Neuhaus erwartete ihn bereits, sie trug beigefarbene Jeans und ein rotes Sweatshirt sowie weiße Tennisschuhe. Sie begaben sich ins Wohnzimmer, wo Nadine, ohne zu fragen, zwei Gläser Orangensaft einschenkte. Sie stellte die Gläser auf den Tisch, setzte sich zu Hellmer aufs Sofa. Sie legte ihren Kopf an seine Schulter, ihre Haare dufteten wie früher, ihre Hände streichelten ihn noch immer so zärtlich wie vor zwei Jahren. Er liebte den Duft ihrer Haut und ihres Haares, liebte ihr Lachen, aber auch Momente wie diese, in denen sie einfach schwieg und ihm das Gefühl gab, sich bei ihm geborgen zu fühlen. Er ließ eine Weile verstreichen, bevor er etwas sagte.
»Nadine, als du mich vorhin anriefst, da klang deine Stimme etwas seltsam. Was ist passiert?«
Ohne ihren Kopf von seiner Schulter zu nehmen, antwortete sie: »Ich hatte vorhin Besuch vom Vermögensverwalter meines Mannes, diesem Dreekmann. Er hat mir Dinge gesagt, die mich einfach umgehauen haben.«
»Und die wären?«
»Also, ich bin die Alleinerbin, und dann sagte er mir, wieviel das ganze Erbe wert ist. Ich kann es bis jetzt noch nicht begreifen, und ich glaube, es wird auch noch eine ganze Weile vergehen, bis das alles in meinen Kopf gegangen ist.«
»Dann hast du ja jetzt alle Zeit der Welt, dir ein passendes Pendant zu suchen«, sagte Hellmer leise.
»Was meinst du damit, ich hätte Zeit, mir ein passendes Pendant zu suchen?«
»Du bist vermögend, und ich habe nichts . . .«
Nadine setzte sich abrupt auf, und blitzte Hellmer von der Seite empört an. »Hör zu, mir ist es gelinde gesagt scheißegal, was und wieviel du hast! Für mich ist wichtig, wer und wie du bist. Bis vor zwei Jahren hatte ich auch kaum einen Pfennig Geld, und jetzt bin ich eben reich. Na und?!« Sie hielt kurz inne, nahm ein Kissen, legte es auf ihre Schenkel und zupfte an den Zipfeln. »Insgesamt beläuft sich das Vermögen auf etwas über zweihundert Millionen Mark. Kannst du dir das vorstellen? Mir wird jedenfalls ganz schwindlig bei der Summe. Aber was soll ich mit dem ganzen Geld, wenn ich es nicht mit jemandem teilen kann? Allein möchte ich nicht leben, und du, du kannst nicht allein leben. Also, warum versuchen wir’s nicht zusammen?«
»Du hast deine Meinung sehr schnell geändert, Nadine. Noch vor wenigen Tagen wolltest du noch Bedenkzeit haben, sogar heute morgen . . .«
»Vergiß einfach, was ich gesagt habe. Tu mir den Gefallen. Weißt du, was Dreekmann zum Abschied gesagt hat? Er sagte, er wünsche mir viel Glück, ich hätte es verdient. Aber ich soll auch daran denken, daß Geld allein nicht glücklich macht. Er spreche da aus eigener Erfahrung.«
»Dreekmann hat so was zu dir gesagt? Das kann unmöglich der Dreekmann sein, den ich kenne. Dreekmann ist so ziemlich der größte Drecksack unter den Strafverteidigern. Er ist kalt bis ins Mark.«
»Ich habe ihn anders kennengelernt. Er war sehr nett und freundlich. Und du weißt, ich kenne mich mit Menschen aus …«
»Dann solltest du ihn einmal im Gerichtssaal erleben. Der Kerl ist in der Lage, aus einem kaltblütigen Mörder noch einen unschuldigen Helden zu machen und die Opfer . . . Was soll’s, ich habe ihn jedenfalls schon einige Male live erlebt. Und das war weiß Gott kein Vergnügen.«
»Egal, mir gegenüber war er sehr nett. Er hat mir sogar angeboten, mir beim Verkauf einiger Häuser behilflich zu sein . . . Häuser, von denen ich nicht dachte, daß mein Mann solche besaß. Du weißt sicherlich, wovon ich spreche, oder?«
»Du meinst wahrscheinlich die Bordelle. An deiner Stelle würde ich sie auch verkaufen.«
»Du weißt davon? Na ja, du weißt wahrscheinlich inzwischen mehr über meinen Mann als ich selbst. Aber ich werde nicht nur die, sondern auch dieses Haus verkaufen. Ich will weg aus dieser Gegend, an die ich nur schlechte Erinnerungen habe. Was hältst du davon, wenn wir in den Vordertaunus ziehen? Ich meine, nur wenn du einverstanden bist.«
Hellmer lächelte und zuckte mit den Schultern. »Es ist letztendlich deine Entscheidung, wohin du ziehen möchtest.
Aber …«
»Nein, ich will, daß wir
uns
gemeinsam ein Haus suchen. Und weil ich nicht will, daß die Leute hier
Weitere Kostenlose Bücher