Das achte Opfer
die Flasche zwischen die Knie und entkorkte sie. Er schenkte die Gläser dreiviertel voll, setzte sich an den Tisch.
»Es ist nichts Besonderes«, sagte sie. »Nur Gulasch, Kartoffeln, Gemüse und Salat. Irgendwie ist mir Hausmannskost immer noch das liebste. Nimm dir, soviel du möchtest . . .«
Sie aßen fast schweigend, ab und zu warf sie ihm einen undefinierbaren Blick zu. Sie waren beinahe mit dem Essen fertig, als sie fragte: »Wie geht es eigentlich deiner Frau? Besser?«
»Es geht. Sie hat ihre Hochs und Tiefs«, log er, »aber mit den Medikamenten, die sie jetzt einnimmt, kommt sie ganz gut zurecht. Gegen eine psychische Krankheit ist man eben fast machtlos.«
»Habt ihr denn noch . . . Ich will nicht indiskret erscheinen, aber mich würde schon interessieren, inwieweit sich diese Krankheit auf euer Eheleben auswirkt, wenn du verstehst, was ich meine?«
»Du meinst, ob wir noch sexuellen Kontakt haben?« fragte er. Er schüttelte den Kopf. »Nein, das ist leider nicht mehr drin. Ich könnte mit ihr schlafen, wenn ich wollte, aber das würde fast einer Vergewaltigung gleichkommen. Es würde mir auch keinen Spaß machen. Ich habe mich damit abgefunden, fast wie ein Mönch zu leben.«
»Fast?« fragte sie grinsend.
»Na ja, ab und zu muß die angestaute Energie . . . Du weißt schon, was ich meine.« Er grinste ebenfalls und schob eine Gabel Gulasch in den Mund.
»Ich war nie verheiratet«, sagte sie. »Aber ich bin bis jetztganz gut über die Runden gekommen. Und doch gibt es manchmal Tage, an denen ich mir eine feste Beziehung wünsche. Doch mit Anfang Vierzig ist es nicht mehr so leicht, den festgefahrenen Weg zu verlassen.«
Sie aßen zu Ende und tranken noch ein weiteres Glas Wein. »Komm, wir setzen uns auf die Couch«, sagte sie, »dort ist es gemütlicher.« Sie erhob sich, ging um den Tisch herum, warf Cicero einen belustigten Blick zu und bewegte sich mit aufreizenden Bewegungen auf das Ledersofa zu. Er folgte ihr einen Moment später, setzte sich neben sie. Sie duftete nach orientalischem Parfüm, das ihm jetzt, da sie so dicht neben ihm saß, in unsichtbaren Schwällen in die Nase zog. Er versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihn ihr Anblick reizte, er sagte: »Tja, dann wollen wir doch gleich mal zur Sache kommen . . .«
»Das ist eine gute Idee«, sagte sie. »Du weißt, warum ich dich hergebeten habe, oder?«
»Natürlich, wir wollten uns über die Namen unterhalten …«
»Das kann warten. Laß uns über etwas anderes reden. Zum Beispiel über dich. Wie hältst du nur die Situation aus, ich meine, das mit deiner Frau? Du siehst phantastisch aus, du bist ein Mann in den besten Jahren, und ich finde, du hast das Recht, dir wenigstens ab und zu ein wenig Vergnügen zu gönnen. Und ich fühle mich heute danach, mir und vielleicht auch dir eine kleine Freude zu bereiten. Du weißt doch hoffentlich, worauf ich hinauswill?«
Er sah sie von der Seite mit hochgezogenen Augenbrauen an und erwiderte: »Unter Umständen weiß ich das. Aber vielleicht wirst du noch ein wenig deutlicher?«
Sie rückte näher an ihn heran, fuhr mit einer Hand über sein Gesicht und seine Brust. Sie knabberte an seinem rechten Ohr, ließ die Hand noch tiefer gleiten. Mit einemMal zog sie die Hand zurück, sah ihn an und sagte: »Na, war das deutlich genug? Sag mir, wenn du keine Lust hast, ich werde dich nicht drängen, aber ich bin ganz offen und ehrlich – ich habe Lust auf dich. Ich hatte schon Lust auf dich, als ich dich das erste Mal sah. Du bist genau das, was ich mir immer zwischen meinen Beinen gewünscht habe.«
»Bist du immer so direkt?« fragte er und sah sie mit einem rätselhaften Lächeln an.
»In der Regel, ja. Aber das bringt mein Beruf mit sich. Meine Direktheit hat es mir ermöglicht, in der Position zu sein, in der ich jetzt bin. Auch was die Organisation angeht.«
»Du läßt also deinen Kollegen Anders über die Klinge springen und willst jetzt mit mir schlafen. Du kannst gut abschalten.«
Sie grinste ihn an. »Es ist eine verdammte, verkommene Welt, in der wir leben«, sagte sie. »Ich bin verkommen und verdorben, und du bist es auch. Du bist vielleicht der Schlimmste von uns allen, aber du verstehst es, eine perfekte Fassade um dich zu bauen. Wenn es eine Hölle gibt, dann werden wir eines Tages darin schmoren, du und ich und noch ein paar andere. Aber bevor es soweit ist, will ich mein Leben genießen. Ich will Geld und Macht – und all das tun, wovon andere nicht einmal
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