Das achte Opfer
leider mitteilen, daß Doktor Matthäus einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist.«
Die ihr gegenübersitzende Frau zeigte keine Reaktion. Kein Zucken der Mundwinkel, keine zusammengekniffenen Augen, keine sich ineinander verkrampfenden Hände, nichts. Sie saß nur regungslos wie eine Statue da und blickte unentwegt auf die Kommissarin.
»Frau Matthäus, haben Sie gehört, was ich gesagt habe?«
»Ja, ich habe es gehört. Wann ist es passiert und wie?«
»Irgendwann zwischen Viertel nach vier und Viertel vor fünf. Wie – das möchte ich Ihnen lieber ersparen.«
»Ich will es aber wissen. Bitte.«
»Man hat ihm die Kehle durchschnitten.« Die abgetrenntenGenitalien und die Zahl auf seiner Stirn ließ sie unerwähnt.
»Warum? Er hat doch keinem Menschen etwas getan«, sagte sie leise. »Oder doch?«
»Wir wissen es nicht. Noch nicht. Aber wir werden es herausfinden.«
»Haben Sie schon einen Anhaltspunkt, wer ihn umgebracht haben könnte?«
»Nein. Es gibt bis jetzt keine Spur zum Täter. Sagen Sie, können Sie uns ein paar Informationen zu Ihrem Mann geben? Wir konnten weder einen Aktenkoffer noch ein Portemonnaie oder eine Brieftasche bei ihm finden. Wie alt war er, was tat er in seiner Freizeit, nun, einfach ein paar Informationen.«
»Mein Mann ist – war – dreiundfünfzig Jahre alt, er war seit neun Jahren Vorstandsvorsitzender der Frankfurter Bank und . . . ich weiß nicht, was ich Ihnen noch sagen könnte.«
»Hatte Ihr Mann Feinde?«
»Wer hat keine Feinde, wenn er in einer derart exponierten Position tätig ist?! Mein Mann hatte sicherlich Feinde, Neider, mißgünstige Menschen, die ihm den Erfolg nicht gönnten. Aber wenn Sie mich nach Namen fragen, dann tut es mir leid, ich kann Ihnen keine nennen. Die Menschen, mit denen ich Kontakt habe, sind nicht unbedingt die, mit denen er sich abgab oder abgeben mußte. Meine Kontakte sind in der Regel weiblich und bestehen aus den Damen hier in der Nachbarschaft.«
»Gab es in der letzten Zeit irgendwelche Auffälligkeiten, wie zum Beispiel merkwürdige Anrufe, Briefe, Drohungen, die speziell gegen Ihren Mann gerichtet waren?«
»Ich kann mich nicht erinnern, zumindest hat er es mir nicht gesagt, aber ich wußte ohnehin kaum etwas aus seinem Leben. Auf jeden Fall liegt es eine Ewigkeit zurück, seiter das letzte Mal mit mir über persönliche Dinge gesprochen hat.«
Für einen Moment herrschte Schweigen, dann fragte Julia Durant: »Darf ich Ihnen noch eine persönliche Frage stellen?«
»Bitte, das werde ich wohl auch noch verkraften können«, erwiderte Frau Matthäus mit einem seltsamen Lächeln.
»Wie war Ihre Ehe? Haben Sie Kinder?«
Frau Matthäus lachte kurz und trocken auf, sie lehnte sich zurück, schlug dezent die Beine übereinander. »Meine Ehe?« Sie kniff die Lippen zusammen, bevor sie fortfuhr: »Meine Ehe war schon lange keine Ehe mehr. Ich habe ihn geheiratet, da war ich zwanzig. Ich habe genau die Hälfte meines Lebens mit ihm verbracht, oder besser gesagt, ich war sein Vorzeigeobjekt, das, wenn er es nicht brauchte, in einem goldenen Käfig gehalten wurde. Ich habe ihn nicht oft zu Gesicht bekommen, seit mehr als zehn Jahren sind wir getrennte Wege gegangen.« Sie schloß für einen Moment die Augen, fuhr sich mit der linken Hand über die Stirn. »Ich weiß nicht, ob er eine Geliebte hatte, aber ich nehme es an. Wir haben zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter. Bernhard ist neunzehn und macht dieses Jahr sein Abitur, Denise ist sechzehn und besucht dasselbe Internat wie Bernhard.«
»Und dieses Internat, wo liegt es?«
»Am Bodensee, Salem. Vielleicht sagt Ihnen der Name etwas.«
»Ich habe davon gehört. Eine andere Frage – wissen Sie irgend etwas über weitere Aktivitäten Ihres Mannes? Oder anders ausgedrückt, war Ihr Mann noch in anderen Unternehmen tätig?«
Frau Matthäus zuckte mit den Schultern. »Diese Frage kann ich nicht mit Bestimmtheit beantworten. Ich habe keineAhnung, ob seine Arbeit für die Frankfurter Bank ihm noch Zeit für Nebentätigkeiten ließ. Mit mir hat er jedenfalls nicht darüber gesprochen.« Sie holte tief Luft, lächelte auf einmal, und diesmal hatte es nichts Arrogantes. »Wissen Sie, die letzten zehn Jahre haben wir keine Ehe im eigentlichen Sinn mehr geführt. Wir haben uns kaum noch gesehen, geschweige denn in einem Bett geschlafen.« Sie machte erneut eine kurze Pause, als ordnete sie ihre Gedanken, und fuhr schließlich fort: »Sie werden sich vermutlich wundern, daß ich nicht in
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