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Das achte Opfer

Das achte Opfer

Titel: Das achte Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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Kontakt mehr mit ihm wünsche, ähnlich verhielt sich seine Mutter, die, solange er zurückdenken konnte, immer hinter seinem Vater gestanden hatte. Sogar aus dem Testament hatte er ihn gestrichen, obgleich Frank Hellmer das einzige Kind seiner Eltern war und er jetzt lediglich noch Anspruch auf einen Pflichtteil des Erbes hatte. Doch wann er dieses Geld sehen würde, ob er es denn überhaupt jemals sah, das stand in den Sternen. Er traute seinem Vater in dessen Perfidität zu, Mittel und Wege zu finden, ihm selbst das Pflichtteil vorzuenthalten. Einige Male schon hatte er an Selbstmord gedacht, die schnellste und für ihn billigste Weise, sich davonzumachen, doch er hatte Angst vor dem Tod. Statt dessen verging kaum ein Abend, an dem er nicht grübelte und mit seinem Schicksal haderte und bisweilen auch sein Gesicht im Kissen vergrub und hemmungslos weinte, vor allem, wenn er zuviel getrunken hatte. Er wußte, er war ein labiler Mensch, wie ein Schiff ohne Segel oder Ruder, derseinen Weg nicht gefunden hatte, doch er war hilflos, was seine eigene Person anging; er wußte, daß er sein Leben nie in den Griff bekommen hatte und die Zeit immer schneller davoneilte und es immer schwieriger werden würde, etwas an den Umständen zu ändern. Deshalb arbeitete er gern und viel, um möglichst wenig zu Hause sein zu müssen, um der Einsamkeit zu entfliehen.
    Auch jetzt spürte er die Wirkung des Alkohols und wie seine Augen schwer wurden. Er trank die Dose aus, stellte sie auf den kleinen Glastisch, ließ die Zigarette im Aschenbecher verglimmen, nahm die andere Dose, stand auf, begab sich ins Bad, entleerte seine Blase, wusch sich die Hände und das Gesicht und ging in den winzigen Raum, in dem er schlief. Es gab keinen Schrank, nur eine schmale Kommode und eine Matratze auf dem Fußboden, ein Laken darüber und eine Bettdecke und ein Kopfkissen, deren Bezüge er seit mehr als zwei Monaten nicht gewechselt hatte. Er streifte seine Schuhe ab, zog Hose und Hemd aus, öffnete die zweite Dose Bier, nahm einen Schluck und legte sich hin. Er drehte sich auf die rechte Seite, die Dose in Griffnähe. Er schloß die Augen, spürte ein leichtes Pochen in seiner Stirn und seinen Schläfen. Er schlief ein.

Mittwoch, 8.00 Uhr
     
    Hellmer wachte bereits um zehn nach sechs auf, nicht weil er ausgeschlafen hatte, sondern weil sein Magen rebellierte. Er griff nach der noch fast vollen Dose Bier, trank sie in einem Zug leer. Er stand auf, erledigte seine Morgentoilette, putzte sich die Zähne und kämmte sich durch das volle, dunkle Haar, betrachtete sich im Spiegel,sah die tiefen Ränder unter seinen Augen. Er hatte einen Dreitagebart und keine Lust, sich jetzt zu rasieren, er würde heute abend duschen und sich dabei die Haare waschen und auch rasieren. Er zog die Jeans an und dasselbe Hemd wie am Vortag, schlüpfte in die Slipper. Er machte sich zwei Scheiben Brot mit Butter und Erdbeermarmelade, danach zündete er sich eine Zigarette an. Er hatte erst vor zwei Jahren angefangen zu rauchen und zu trinken, nachdem ihn seine Frau aus dem Haus geworfen hatte. Und jetzt konnte er nicht mehr davon lassen. Doch es war ihm egal, solange er das Trinken kontrollierte und nicht umgekehrt und seine Arbeitsleistung nicht darunter litt. Er hoffte nur, die anderen in der Abteilung würden nicht bemerken, daß er trank, doch Berger war selbst Alkoholiker, was fast jeder wußte, was aber stillschweigend hingenommen wurde. Bevor er um Viertel nach sieben das Haus verließ, nahm er noch einen Schluck aus der Wodkaflasche. Es würde kein guter Tag werden, das spürte er. Er hatte bisher selten morgens getrunken, und wenn doch, dann verlangte sein Körper im Laufe des Tages in der Regel nach immer mehr. Er war sich im klaren, daß es eine Gratwanderung war, bei der er äußerste Vorsicht walten lassen mußte, sonst war sein Absturz vorprogrammiert. Auf der anderen Seite, sagte er sich, gab es wohl kaum jemanden, den es kümmerte, wenn er denn wirklich abstürzte. Er war ohnehin allein. Er lachte sarkastisch auf, schloß die Augen, ließ den Alkohol wirken, zog die Jeansjacke über und ging zum Auto. Um kurz nach halb acht traf er im Präsidium ein.
     
    Berger war wie immer der erste im Büro, meist saß er schon um sieben hinter seinem Schreibtisch, die anderen Beamten in seiner Abteilung kamen in der Regel zwischen halb achtund acht. Er hatte die teils grausigen Fotos von dem toten Dr. Matthäus vor sich liegen, dazu ein erster, noch unvollständiger

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