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Das achte Opfer

Das achte Opfer

Titel: Das achte Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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Tränen ausgebrochen bin oder gar einen Nervenzusammenbruch erlitten habe, als Sie mir die Nachricht vom Tod meines Mannes überbrachten, aber es fällt mir schwer zu weinen nach allem, was in den vergangenen Jahren gewesen ist. Mein Mann ist einfach ein Fremder für mich geworden. Sie haben es mir gesagt, und ich nehme es zur Kenntnis. Vor einigen Jahren wäre ich vielleicht tatsächlich noch zusammengebrochen, aber jetzt . . .? Nein, die Zeiten sind vorbei.« Sie seufzte kurz auf, erhob sich, ging an das Barfach, holte ein Glas und eine Flasche Gin heraus, drehte sich zu den Beamten um und fragte: »Möchten Sie nicht doch etwas trinken? Ich nehme an, Sie sind jetzt nicht mehr im Dienst, oder?«
    »Einen kleinen Whisky vielleicht«, sagte Hellmer mit einem kurzen Blick auf Julia Durant.
    »Und Sie?«
    »Ich nehme das gleiche wie Sie«, sagte die Kommissarin.
    »Mit Eis?«
    Durant und Hellmer nickten. Frau Matthäus gab Eis in die Gläser und schenkte ein. Sie reichte sie den Beamten, nahm ihr eigenes und setzte sich wieder. Sie nippte an dem Gin, sagte: »Es ist schlimm, wenn man keine Tränen mehr hat; ich glaube, ich habe sie alle schon vor langer Zeit vergossen, und jetzt ist der Ozean leer. Es tut mir leid, wenn ich auf Sieden Eindruck einer mitleidlosen, harten Frau mache. Vielleicht bin ich es auch, wer weiß.« Erneut machte sie eine Pause, drehte das Glas zwischen ihren schlanken, feingliedrigen Fingern, den Blick zu Boden gerichtet. Sie nahm einen Schluck Gin, sagte schließlich: »Aber ich will Sie nicht mit meinen persönlichen Sorgen belasten, Sie haben sicher andere Probleme, als sich mit einer frustrierten Ehefrau auseinanderzusetzen.«
    Mit einem Mal wurde Julia Durant die ihr gegenübersitzende Frau sympathisch, der erste Eindruck, den sie von ihr gewonnen hatte, war falsch gewesen. Das Energische, Arrogante, Berechnende, der Spott waren bloße Fassade, mit der sie ihr zerbrechliches Inneres zu schützen versuchte. Ein Mechanismus, der ihr zu überleben half.
    »Es ist schon okay. Manchmal tut es ganz gut, wenn man sich ein paar Dinge von der Seele reden kann. Was werden Sie jetzt tun?«
    »Keine Ahnung. Meine Kinder und Verwandte und Bekannte benachrichtigen, die Beerdigung vorbereiten . . . Die nächsten Tage werden wohl mit einer Menge Arbeit verbunden sein. Und wenn alles vorüber ist, werde ich vielleicht verreisen, wir haben noch drei Häuser im Ausland.«
    Durant und Hellmer tranken aus, stellten die Gläser auf den Marmortisch. Sie erhoben sich. »Wir werden sicher noch die eine oder andere Frage haben. Wir melden uns dann bei Ihnen.«
    »Ich stehe Ihnen jederzeit zur Verfügung. Was glauben Sie, wann die Beerdigung stattfinden kann?«
    »Das kann ich Ihnen noch nicht sagen. Wir müssen abwarten, bis die Autopsie abgeschlossen ist, doch ich nehme an, Sie können die Bestattung für Montag oder Dienstag nächster Woche einplanen.«
    »Danke. Warten Sie, ich begleite Sie nach draußen.«
    Frau Matthäus begleitete Julia Durant und Hellmer bis zum Tor, öffnete es, reichte beiden die Hand. »Auf Wiedersehen, und lassen Sie mich wissen, wenn ich Ihnen in irgendeiner Weise behilflich sein kann.«
    »Natürlich«, sagte Julia Durant und lächelte. Sie und Hellmer gingen zu ihren Autos. Bevor Hellmer aufschloß, fragte er: »Und, war es schlimm?«
    »Zum Glück nicht. Sie war wirklich sehr gefaßt.«
    »Kein Wunder, wenn es stimmt, was sie über ihre Ehe erzählt hat. Schwimmt im Geld und hat doch nichts vom Leben.«
    »Das wird sich, wenn ich die Frau richtig einschätze, ab sofort ändern, oder was meinst du?«
    »Wahrscheinlich hast du recht. Sag mal, was machst du jetzt? Ich meine, hast du irgendwas Bestimmtes vor?«
    »Ich verstehe nicht . . .«
    »Ich dachte, wir könnten vielleicht noch irgendwo hingehen und was trinken.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nicht heute. Ich bin müde und irgendwie erschöpft. Der Tag war sehr anstrengend für mich.«
    »War nur ’ne Frage. Gute Nacht und bis morgen.«
    »Tschüs.«
    Die Kommissarin stieg in ihren Wagen, legte den Sicherheitsgurt an. Sie holte die Zigaretten aus ihrer Handtasche, ließ das Feuerzeug aufflammen. Sie kurbelte das Fenster halb herunter, startete den Motor und fuhr los. Sie wollte nur eines – ein Bad nehmen und schlafen. Der morgige Tag würde aller Wahrscheinlichkeit nach hart werden. Auf der Fahrt nach Hause versuchte sie, nicht mehr allzuviel über den Fall Matthäus nachzudenken. Es gelang ihr nicht.

Dienstag, 23.00

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