Das achte Opfer
nicht umkehrt und wie die Kinder werdet, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen. Wer so klein sein kann wie dieses Kind, der ist im Himmelreich der Größte. Wer einen von diesen Kleinen . . . zum Bösen verführt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals im tiefen Meer versenkt würde.
»Verfluchte Scheiße!« quetschte Julia Durant hervor und knallte den Zettel auf den Tisch.
»Große, verfluchte Scheiße! Was soll dieser Schwachsinn? Was heißt dieser Spruch im Klartext?«
Bevor Kullmer oder Berger etwas antworten konnten, kam Hellmer herein. Schweiß stand auf seiner Stirn, er machte einen etwas mürrischen Eindruck. Er zog seine Lederjacke aus und hängte sie über die Stuhllehne.
»Was ist los?« fragte er.
»Das ist los«, erwiderte Julia Durant und hielt ihm den Zettel hin. »Er wird wieder zuschlagen, doch wir wissen nicht, wann und wo. Wir werden nur irgendwann einen Anruf bekommen und irgendwo eine Leiche vorfinden. Und wir werden den gleichen Scheiß machen wie bei den beiden anderen auch – Fragen stellen und keine Antworten bekommen. Wir werden Spuren suchen und keine finden. Und dann werden wir wieder einen Zettel bekommen, und so wird das Spiel weitergehen und weitergehen, und wir werden für die Öffentlichkeit die Arschlöcher sein.«
»Wir werden eine Sonderkommission bilden«, sagte Berger. »Ich habe zehn Leute angefordert, und sie sind uns auchgenehmigt worden.« Er nahm einen Zug an seiner Zigarette, blies den Rauch durch die Nase aus.
»Waren Sie bei Frau Neuhaus?« fragte Berger Hellmer.
»Ja, ich habe ihr die Nachricht überbracht.«
»Wie hat sie reagiert?« fragte Julia Durant.
»Eher teilnahmslos. Neuhaus hat sie gestern nachmittag ziemlich übel zugerichtet . . .«
»Verprügelt?« fragte die Kommissarin. »Wegen der Sache im Café?«
»Scheint so.«
»Moment«, unterbrach ihn Berger. »Was für eine Sache in was für einem Café?«
Bevor Hellmer antworten konnte, sagte Julia Durant: »Nachdem Kommissar Hellmer und ich noch einmal bei Frau Matthäus waren, sind wir kurz ins Café Hauptwache gefahren, um dort einen Kaffee zu trinken und ein Stück Kuchen zu essen. Dabei hat Kommissar Hellmer eine ehemalige Bekannte getroffen, die jetzt mit Neuhaus verheiratet ist oder besser gesagt war. Er setzte sich zu ihr an den Tisch, sie unterhielten sich, bis Neuhaus reinkam und seine Frau ziemlich rüde aus dem Café schleifte. Na ja, und zu Hause scheint er es ihr dann richtig gegeben zu haben.«
»Könnte das ein Motiv sein?« fragte Berger.
»Niemals«, sagte Hellmer mit energischem Kopfschütteln.
»Außerdem würde Frau Neuhaus dann auch für den Mord an Matthäus in Frage kommen. Sie sagte mir, nachdem ihr Mann sie zusammengeschlagen hatte, habe er das Haus verlassen. Sie weiß nicht, wohin er gefahren ist, sie sagte nur, daß es nicht selten vorkam, daß er über Nacht oder gar mehrere Tage hintereinander wegblieb. Sie wäre allein vom Typ her niemals zu einem Mord fähig. Ich habe sie gefragt, ob es eine Verbindung zwischen ihrem Mann und Matthäus gab, aber sie sagte, sie wüßte überhaupt nichts über dieGeschäfte ihres Mannes. Das ist alles.« Er fuhr sich mit einer Hand übers Kinn, fügte hinzu: »Höchstens vielleicht noch das – Professor Meininger ist auch der Hausarzt von Neuhaus. Ich riet ihr, wegen ihrer Wunden den Arzt zu konsultieren, doch sie wollte nicht, ihre Reaktion war, wenn ich’s recht bedenke, etwas merkwürdig.«
»Inwiefern?« fragte Berger.
»Nun, es scheint, als ob sie diesen Meininger nicht besonders leiden kann. Aus welchen Gründen auch immer.«
»In Ordnung«, sagte Berger, nahm einen letzten Zug an seiner Zigarette und drückte sie im Aschenbecher aus. Er stand auf, stellte sich ans Fenster, sah hinunter auf die Mainzer Landstraße. »Wir werden jetzt Nägel mit Köpfen machen. Die beiden sind nicht einfach so umgebracht worden, dahinter steckt für meine Begriffe eine riesengroße Sauerei. Wir wissen nicht, was die beiden zu verbergen hatten oder in welch dubiose Geschäfte sie involviert waren, aber ich gehe davon aus, daß es Ungereimtheiten in ihrem Leben gibt. Und diese Ungereimtheiten müssen wir herausfinden. Wenn wir die kennen, haben wir unter Umständen das Mordmotiv. Ich fürchte, es liegt eine Menge Arbeit vor uns. Ich denke, daß wir schon heute nachmittag mit der Durchsuchung der Büros und Wohnungen beginnen können.« Er blickte zur Uhr. »Wir werden jetzt alle eine kurze Mittagspause
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