Das achte Opfer
Fragen stellen.«
»Wie lange, glauben Sie, wird es dauern? Die Durchsuchung, meine ich.«
»Das kommt ganz darauf an. Ich möchte mich nicht festlegen. Aber es kann durchaus einige Stunden dauern.«
Frau Matthäus nickte nur und bat Kommissar Hellmer, ihr ins Wohnzimmer zu folgen. Sie setzte sich auf die Couch und bat Hellmer, im Sessel Platz zu nehmen. »Frau Matthäus, Sie sagten uns am ersten Abend, daß Ihr Mann des öfteren über Nacht weggeblieben sei. Manchmal sogar für ein paar Tage, ohne daß Sie wußten, wo er sich aufhielt. Stimmt das so?«
»Ja, genau so war es.«
»Können Sie sich erinnern, wann Ihr Mann zuletzt über Nacht beziehungsweise mehrere Tage weggeblieben ist?«
»Sie meinen, ob ich das genaue Datum weiß?«
»Ja.«
»Nun, um genau zu sein, er blieb eigentlich nie die ganze Nacht weg, sondern nur bis in die frühen Morgenstunden. In der Regel kam er so gegen drei, halb vier nach Hause, wenn ich bereits schlief. Ich bin aber trotzdem meist wach geworden, weil ich bei offenem Fenster zu schlafen pflege und die Auffahrt zur Garage direkt darunter vorbeiführt. Zuletzt war es in der Nacht vom achtzehnten auf den neunzehnten Mai, also jene Nacht, bevor er . . .« Sie stockte kurz, fuhr aber gleich fort: »Davor die Nacht vom elften auf den zwölften Mai und davor . . .«
»Lassen Sie mich raten – die Nacht vom vierten auf den fünften Mai?«
»Ja«, sagte sie nachdenklich. »Es waren immer die Nächte von Montag auf Dienstag. Das ist mir so noch gar nicht aufgefallen. Seltsam, wie gleichgültig man doch wird.«
»Und wenn er mehrere Tage fortblieb?«
»Da war er in der Regel geschäftlich unterwegs.«
»Wissen Sie noch, wann seine letzte Geschäftsreise war und wohin sie führte?«
Sie lächelte, schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, mit dieser Information kann ich nicht dienen. Er sagte immer nur, er müsse geschäftlich verreisen, doch wohin, verriet er nie. Aber seine Sekretärin wird Ihnen diese Frage sicherlich beantworten können.«
»Frau Matthäus, Sie haben bestimmt von dem Mord an Doktor Neuhaus, Ihrem Nachbarn gehört?«
Sie nickte nur.
»Auch von den Umständen, unter denen er zu Tode gekommen ist?«
»Nein, ich hörte nur, er sei ermordet worden.«
Hellmer zögerte einen Augenblick, kniff die Lippen zusammen, sah Frau Matthäus an, deren Gesicht eine undurchdringliche Maske war.
»Doktor Neuhaus ist auf dieselbe Weise getötet worden wie Ihr Mann.«
»Bitte, ich verstehe nicht . . .«
»Auch er hatte die Zahl auf seiner Stirn. Und die anderen Details stimmen ebenfalls überein. Wir fragen uns jetzt, ob es eine Verbindung zwischen Ihrem Mann und Doktor Neuhaus gab und welcher Natur diese Verbindung war. Können Sie mir vielleicht weiterhelfen?«
Sie schüttelte wieder nur den Kopf. »Es tut mir leid, aber ich weiß nichts von einer Verbindung zwischen meinem Mann und Doktor Neuhaus. Doch wie ich Ihnen bereits sagte, ich wußte fast nichts aus dem Leben meines Mannes. Fragen Sie Frau Neuhaus, womöglich weiß sie mehr als ich.«
»Wie gut kennen Sie Frau Neuhaus?«
»Wir sind Nachbarn, nicht mehr und nicht weniger. Wir treffen uns ab und zu auf der Straße oder bei einer Gesellschaft. Sie lebt ja auch noch nicht so lange hier.«
»Man kann also sagen, Sie hatten so gut wie keinen Kontakt zu ihr?«
»Das kann man so sagen. Doch Sie müssen wissen, wer hier lebt, lebt ziemlich isoliert. Das ist bei mir so, und das ist bei Frau Neuhaus nicht anders. Und fragen Sie, wen Sie wollen, Sie werden von fast allen die gleiche Antwort bekommen. Soziale Kontakte werden kaum gepflegt. Außer im Sommer vielleicht, wenn hier und da mal ein Gartenfest veranstaltet wird und eben die liebe Nachbarschaft eingeladen ist. Ich habe diese Feste immer gehaßt, weil nirgends mehr gelogen, getratscht und geheuchelt wird als dort. Man tut so, als wäre dieses Viertel eine verschworene Gemeinschaft, in Wirklichkeit aber . . . ach, lassen wir das, es ist unwichtig. Auch wenn sich das für Sie hart anhören mag, ich bin froh, bald weg von hier zu sein. Ich werde dieses Haus verkaufen und damit vielleicht auch allmählich die Erinnerungen an dieletzten zwanzig Jahre und irgendwo neu beginnen. Aber Sie werden meine Haltung wahrscheinlich nicht verstehen können, bestimmt sind Sie glücklich verheiratet, haben Kinder, die sich freuen, wenn ihr Vater nach Hause kommt . . .« seufzte sie.
»Ich bin geschieden«, erwiderte Hellmer trocken. »Ich kann Ihre Haltung verstehen. Nur mit dem
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