Das achte Opfer
Unterschied, daß ich es mir nicht leisten kann, meine Zelte einfach abzubrechen.«
»Es tut mir leid«, sagte Frau Matthäus entschuldigend. »Ich rede manchmal dummes Zeug.« Sie erhob sich, ging an das Barfach, holte eine Flasche Gin hervor. »Möchten Sie auch einen?« fragte sie. »Oder dürfen Sie nicht, wenn Sie im Dienst sind?«
»Leider nicht«, antwortete Hellmer, obgleich er zu gern ein Glas mitgetrunken hätte.
Frau Matthäus schenkte sich ein und ging zum Fenster. Sie schaute hinaus auf den sonnenüberfluteten Garten, setzte das Glas an und trank es in einem Zug leer. Sie wirkte traurig, leer.
»Haben Sie noch Fragen?«
»Eine noch. Es geht um Professor Meininger. Sie erwähnten, daß er Ihr Hausarzt sei. Seit wann ist er das, und wie sind Sie an ihn gekommen? Er ist doch eigentlich Humangenetiker.«
»Mein Mann und Professor Meininger kennen oder besser gesagt kannten sich schon seit langem. Und daß er eigentlich Humangenetiker ist, ist für mich unwesentlich. Ich konsultiere ihn auch nur in bestimmten Fällen, ansonsten habe ich eine sehr gute Frauenärztin.«
»Danke, das war’s. Ich werde mich dann mal wieder zu meinen Kollegen begeben und ihnen helfen.«
Hellmer erhob sich und ging die Treppe hinauf zu JuliaDurant und Kommissar Kullmer. Er wollte gerade das Arbeitszimmer betreten, als sie ihm entgegenkamen.
»Schon fertig?« fragte er.
»In dem Zimmer gibt es einen Schrank, in dem ausschließlich Fachbücher stehen, einen Schreibtisch und ein offenes Regal. Dieses Zimmer scheint so gut wie nie benutzt worden zu sein. Sehen wir uns mal die Bibliothek an.«
»Das macht Ihr. Ich schau mal eben bei Nadine Neuhaus vorbei und stelle ihr noch ein paar Fragen. Mal sehen, vielleicht gibt es doch eine Verbindung zwischen Neuhaus und Matthäus.«
»Und wie könnte die aussehen?« fragte Julia Durant.
»Nachher, liebe Kollegin. Erst will ich meine Vermutung bestätigt wissen. Bis gleich dann.«
Er machte kehrt und ließ die Kommissarin und Kullmer einfach stehen. Zwei Minuten später stand er vor der Villa von Nadine Neuhaus. Auf sein Klingeln hin wurde ihm sofort geöffnet. Die anderen Kollegen von der Sonderkommission waren bereits mit der Durchsuchung beschäftigt, Nadine hielt sich im Wohnzimmer auf. Er klopfte, trat ohne Aufforderung ein. Der Fernsehapparat lief, sie saß im Sessel, das halbe Gesicht von der großen, dunklen Sonnenbrille verdeckt.
»Nadine«, sagte Hellmer, »ich muß noch mal mit dir reden. Dauert auch nicht lange.«
Sie drehte sich um. »Warum macht ihr diese Durchsuchung?«
»Routine. Wir suchen nach einer Verbindung zwischen deinem Mann und Matthäus. Und natürlich nach einer Gemeinsamkeit in deren Leben. Ich werde dich jetzt in etwa das gleiche fragen, das ich bereits Frau Matthäus gefragt habe. Und überleg gut, bevor du antwortest, jedes Detail ist wichtig.«
»Ja, ich werd’s versuchen«, sagte sie leicht irritiert und setzte sich aufrecht hin. »Entschuldige bitte, aber ich hab dir noch gar keinen Platz angeboten.«
Hellmer setzte sich Nadine Neuhaus gegenüber. »Gut. Du sagtest heute vormittag, daß dein Mann bisweilen über Nacht oder gar mehrere Tage von zu Hause weggeblieben ist. Wenn er über Nacht wegblieb, wann kam er da in der Regel nach Hause?«
Nadine Neuhaus sah Hellmer an, neigte den Kopf ein wenig zur Seite, spitzte die Lippen, dachte nach. »Hmh, wann kam er nach Hause?« Sie fuhr sich mit einer Hand durch das kastanienbraune Haar. »Gute Frage. Er war morgens zum Frühstück auf jeden Fall immer da. Wenn ich’s recht bedenke, hörte ich ihn beim letzten Mal etwa um drei kommen. Ich weiß das noch, weil ich sehr leicht geschlafen habe und er mit dem Porsche gekommen ist. Der Motor ist ziemlich laut.«
»An welchem Tag war das?«
»Das war in der Nacht von Montag auf Dienstag . . .«
»Vergangenen Montag?«
»Ja.«
»Und jetzt versuch dich genau zu erinnern – wann davor kam er wieder nachts um etwa diese Zeit nach Hause?«
»Ich müßte in meinem Tagebuch nachschauen. Warte, ich hole es schnell.« Hellmer sah ihr nach, wie sie mit ihrem unvergleichlichen, fast schwebenden Gang das Zimmer verließ und kurz darauf zurückkehrte. Sie setzte sich neben Hellmer auf die Couch, legte die Beine hoch, blätterte in dem Tagebuch.
»Hier, ich hab’s, es war in der Nacht vom . . .«
»Laß mich raten«, unterbrach Hellmer Nadine, »in der Nacht vom elften auf den zwölften Mai. Und dann wieder genau eine Woche davor. Und so weiter und so
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