Das achte Opfer
in einem seiner Häuser Waffen und Drogen gebunkert würden? Und daß er in dieseGeschäfte verwickelt war oder zumindest davon Kenntnis hatte?«
»Es war ein anonymer Anrufer.«
»War es vielleicht derselbe, der uns mitteilte, daß Winzlow vier Morde in Auftrag gegeben habe?«
Julia Durant zuckte mit den Schultern. »Möglich ist alles. Ich bin aber von der Schuld Winzlows überzeugt. Und mit dieser Überzeugung scheine ich nicht allein dazustehen. Ich würde sagen, wir sollten auch Hauptkommissar Schnell nachher, wenn Schneider kommt, hinzuziehen. Wenn hier organisierte Kriminalität im Spiel ist, brauchen wir Verstärkung von den Kollegen der OK.«
»Einverstanden, ich werde ihn bitten, um zwei hier zu sein. Wenn Sie möchten, können Sie jetzt eine Mittagspause einlegen. Wir sehen uns nachher.«
Freitag, 14.00 Uhr
Es war heiß im Büro, als Schneider, ein kleiner, dünner Mann, mit Nickelbrille und diesem typisch verkniffenen Zug um den schmalen Mund, hereinkam. Er hatte lichtes, graues Haar, seine Haut war von einem unnatürlichen Weiß, tiefe Ringe lagen unter den großen, starr blickenden Augen. Er nuschelte einen kaum verständlichen Gruß, stellte seine Aktentasche neben den freien Stuhl und setzte sich. Mit einer Hand fuhr er sich über den Schädel, seine Bewegungen wirkten nervös, beinahe fahrig.
»Danke, Doktor Schneider, daß Sie sich die Zeit genommen haben, uns zu helfen. Hauptkommissarin Durant kennen Sie bereits. Kommissar Hellmer gehört zu meiner Abteilung, Hauptkommissar Schnell ist für die Bereiche organisierteKriminalität und Menschenhandel zuständig. Wir haben ihn dazugebeten, weil immerhin die Möglichkeit besteht, daß wir es hier unter Umständen mit dem organisierten Verbrechen zu tun haben.«
Schneider nickte, lehnte sich zurück, schlug die dünnen Beine übereinander, verschränkte die Arme vor der Brust.
»Wenn Sie mir jetzt bitte die einzelnen Fakten darlegen würden.«
Julia Durant legte sämtliche Zettel und Briefe, die sie bislang erhalten hatte, vor Schneider auf den Tisch. Sie sagte: »Dazu kommt, daß mir der Täter zusammen mit dem dritten Schreiben einen Strauß mit zwölf weißen Lilien geschickt hat.«
Schneider nahm die Briefe, las sie eingehend. Nach einer Weile blickte er auf, hielt die Schreiben aber weiter in der Hand. Sein ohnehin fast ausdrucksloses, ernstes Gesicht wurde noch eine Spur ernster.
»Was ist Ihre Theorie?« fragte er die Kommissare.
»Wir haben keine«, erwiderte Berger. »Am ehesten gehen wir von einem religiösen Fanatiker aus, der die Welt säubern will. Manche hier halten ihn auch nur für einen durchgeknallten Psychopathen.«
»Wie hat er die Morde ausgeführt? Ich las bisher nur in den Zeitungen von den beiden Morden. Von dem dritten hörte ich erst vorhin von Ihnen.«
»Frau Kollegin, Sie waren an den jeweiligen Tatorten«, sagte Berger und sah Julia Durant an.
»Nun, er vergiftet seine Opfer mit Zyankali, dann trennt er ihnen die Genitalien ab, aber warum soll ich es Ihnen erklären, hier, sehen Sie sich die Fotos an, dann wissen Sie alles.« Sie nahm die Akten von Matthäus und Neuhaus, Schneider schlug sie auf und studierte die Bilder. Er legte die Akten auf seine Oberschenkel, dachte nach.
»Sie vermuten also, daß es sich bei dem Täter um einen religiösen Fanatiker oder einen durchgedrehten Psychopathen handeln könnte. Was spricht dagegen? Ich denke, eine ganze Menge. Erstens stammen die bisherigen Opfer alle aus der gehobenen Gesellschaft, zweitens scheint er sehr gezielt vorzugehen, was heißt, daß er seine Opfer aller Wahrscheinlichkeit nach persönlich kannte und vielleicht sogar ihr Vertrauen genoß, und drittens spricht dagegen, daß sowohl religiöse Fanatiker als auch sogenannte Psychopathen in der Regel ihre Opfer wahllos aussuchen. Wenn er in dem an Kommissarin Durant gerichteten Brief von Unrat spricht, meint er damit nicht irgendwelche Junkies oder die Säufer an den Trinkhallen oder die Huren auf dem Straßenstrich, er meint mit Unrat etwas ganz anderes. Nur was? Und woher kennt er Sie, Kommissarin Durant? Woher weiß er von Ihren polizeilichen Verdiensten? Er schreibt, er hält Sie für eine der fähigsten Beamtinnen der Abteilung. Also liegt doch der Schluß nahe, daß es sich um eine Person handeln muß, die recht tiefe Einblicke in die Polizeiarbeit hat.«
»Möchten Sie damit vielleicht ausdrücken, es könnte sich bei dem Täter eventuell sogar um einen Kollegen handeln? Einen von uns?« fragte
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