Das achte Opfer
hatte schulterlanges, fast schwarzes, gewelltes Haar, dunkle, feurige Augen und äußerst markante Gesichtszüge, doch das hervorstechendste Merkmal waren die vollen, sinnlichen Lippen. Sie machte einen eher gefaßten Eindruck, auch wenn Julia Durant das Zittern ihrer Hände nicht entging.
»Sie sind die Schwester von Doktor Winzlow?«
»Ja. Mein Gott, welches Schwein hat ihn bloß so zugerichtet? Und was soll dieser ganze Mist mit der Zahl?« Sie hatte trotz der Erregung eine angenehm weiche, warme Stimme. »Können wir uns in einem anderen Raum ungestört unterhalten?« fragte die Kommissarin.
»Natürlich, wenn Sie mir bitte folgen wollen.«
Sie gingen über den ausladenden Flur in das Arbeitszimmer von Dr. Winzlow, in dem sich unzählige Bücher befanden,von denen die meisten sich mit Malerei, Bildhauerei und verwandten Kunstrichtungen befaßten. Der Schreibtisch war überladen mit Papieren, deren Ordnung wohl nur Winzlow selber gekannt hatte. Winzlows Schwester setzte sich auf einen Stuhl neben dem Fenster und bat Julia Durant, hinter dem Schreibtisch Platz zu nehmen.
»Wohnen Sie hier?« fragte sie die Frau.
»Nein, mein Bruder bat mich nur, ab und zu nach dem Rechten zu sehen, wenn er nicht da war.«
»Wohnte Ihr Bruder ganz allein hier?«
»Ja.«
»Er ist oder war nicht verheiratet?«
»Er war verheiratet. Bis vor zwei Jahren. Die Ehe ist in die Brüche gegangen, seine Frau mit dem gemeinsamen Sohn weggezogen. Wir haben noch regelmäßig Kontakt miteinander. Ganz ehrlich, sie hatte meinen Bruder auch nicht verdient. Sie verdient Besseres.«
»Das hört sich nicht sehr schmeichelhaft für Ihren Bruder an.«
»Soll es auch nicht«, erwiderte die Frau leidenschaftslos. »Seine Niederschläge und Verluste hatte er sich immer selbst zuzuschreiben. Vielleicht sogar diesen auch. Wer weiß?«
»Haben Sie einen Verdacht, wer hinter seinem Tod stehen könnte?«
»Nein, ich habe keinen Verdacht. Dazu wußte ich einfach zuwenig aus dem Leben meines Bruders. Die Männer ähneln sich irgendwie alle – Geheimnisse, Geheimnisse, Geheimnisse. Mein Mann ist da auch nicht anders. Was weiß ich, was er treibt, wenn er wochenlang auf Tournee ist?!« Sie lachte bitter auf.
»Und wer hielt das Haus in Ordnung?« fragte die Kommissarin, ohne auf die letzte Bemerkung von Winzlows Schwester einzugehen.
»Er hat eine Haushälterin, die viermal in der Woche für jeweils drei Stunden saubermacht, und einen Gärtner für die Außenanlagen. Doch der Gärtner ist hier für mehrere Anwesen zuständig.«
»Heißt das, Ihr Bruder sollte heute eigentlich gar nicht hier sein?«
»Wir haben gestern am späten Nachmittag telefoniert, und er sagte, daß er bereits um sechs Uhr heute morgen das Haus verlassen wollte, um ins Museum zu fahren, um dann um zwei die Maschine nach London zu nehmen, wo er einen Termin bei Sotheby’s hatte. Er hatte vor, bis morgen abend dort zu bleiben und mit der Spätmaschine zurückzukommen. Mehr weiß ich nicht.«
»Darf ich fragen, wo Sie wohnen, und vor allem, wie Sie heißen?«
»Natürlich. Ich heiße Yvonne Mondrian und wohne mit meinem Mann und unseren beiden Kindern zwei Straßen von hier. Es ist ein Katzensprung.« Sie hatte jetzt die Hände gefaltet, den Blick zu Boden gerichtet. Sie kniff die Lippen zusammen, bevor sie fortfuhr: »Sagen Sie, wer tut so etwas?«
»Ich bin keine Psychologin, ich weiß es nicht.« Julia Durant stockte für einen Moment, fragte dann: »Aber Mondrian, der Name …«
»Ja, mein Mann ist Jürgen Mondrian.«
»
Der
Mondrian also«, sagte die Kommissarin leise.
Yvonne Mondrian ignorierte die Feststellung von Julia Durant, fragte statt dessen: »Hat der Mord an meinem Bruder etwas mit den anderen beiden Morden in Frankfurt zu tun?«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Nun, es ist doch sehr ungewöhnlich, wenn man bedenkt, daß innerhalb weniger Tage drei nicht unbedeutende Personenumgebracht werden. Wobei mein Bruder das ja wohl bislang prominenteste Opfer ist.«
»Es kann sein oder – es ist sogar wahrscheinlich. Ich möchte Sie jedoch darauf hinweisen, daß alles, was Sie hier gesehen und wir besprochen haben, vertraulich zu behandeln ist.«
»Und warum?«
»Es gibt einfach Details, die nicht für die breite Öffentlichkeit bestimmt sind. Sie wissen, wie reißerisch vor allem die Boulevardpresse und das Privatfernsehen von solchen Fällen berichten. Es würde einfach unsere Ermittlungen behindern.«
»Ich verspreche, mit keinem Menschen darüber zu reden,
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