Das achte Opfer
Fußminuten erreichten sie das Museum. Sie wiesen sich am Eingang aus, baten, zum Büro von Dr. Winzlow vorgelassen zu werden.
»Einen Augenblick, aber Doktor Winzlow ist heute nicht hier«, sagte die junge Dame hinter dem Schalter.
»Das wissen wir. Doktor Winzlow wird auch in Zukunft nicht mehr hier sein, er ist nämlich seit einigen Stunden tot.«
Die Dame wurde kreidebleich, sie hatte die Augen weit aufgerissen, starrte die Beamten fassungslos an. »Tot? Doktor Winzlow?«
»Ermordet, wenn Sie’s genau wissen wollen«, sagte Julia Durant ungewohnt abweisend. »Wenn Sie uns bitte zeigen würden, wo das Büro liegt.«
»Gehen Sie den Gang entlang, durch die Glastür, dann bis zum Ende des Flurs, die letzte Tür rechts. Ich weiß aber nicht, ob aufgeschlossen ist.«
»Dann schließen Sie auf, oder holen Sie jemanden, der einen Schlüssel hat.«
»Einen Augenblick bitte, ich rufe den Hausmeister, er hat einen Schlüssel.« Sie griff zum Telefon, wählte eine dreistellige Nummer und sagte: »Kommen Sie bitte schnell zum Eingang. Hier sind zwei Beamte von der Polizei. Sie möchten in Doktor Winzlows Büro.« Sie legte wieder auf. »Er kommt gleich. Wenn Sie bitte einen Moment warten wollen.«
»Was für eine Ausstellung findet hier gerade statt?« fragte Julia Durant.
»Oh, eine ganz besondere Ausstellung, die in Deutschland nur in diesem Museum zu sehen ist. Alle Werke, die hierausgestellt sind, wurden von Kindern im Alter zwischen vier und zwölf Jahren gemalt. Es sind einige echte Kunstwerke darunter.«
»Kinderbilder?« fragte die Kommissarin und drehte sich zu der jungen Dame um.
»Ja, Kinderbilder, warum?«
»Nur so. Sagen Sie dem Hausmeister, er soll den Schlüssel bei Ihnen deponieren, wir holen ihn nachher ab. Wir werden uns erst einmal die Bilder ansehen.«
»Kinderbilder!« sagte sie, nachdem sie außer Hörweite waren, zu Hellmer und sah ihn an.
»Erinnerst du dich an den Spruch, der mir vor Winzlows Tod geschickt wurde? Kinder, es geht um Kinder. Verdammt, Kinder, Kinder, Kinder!
Wer einen von diesen Kleinen . . . zum Bösen verführt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals im tiefen Meer versenkt würde!
«
»Du denkst . . .«
»Genau das. Ich erinnere mich an einen weltbekannten Kinderpsychologen, der unzählige Bücher verfaßt hat, der als der große Helfer und Beschützer von Kindern in die Geschichte eingegangen ist, bei dem sich aber nach seinem Tod der Verdacht immer mehr erhärtete, daß er sich jahrzehntelang an Kindern, männlichen Kindern, vergangen hat. Außerdem ist bekannt, daß einer der führenden Köpfe der UNESCO ein Päderast ist – und das seit vielen Jahren.«
»Und warum unternimmt keiner etwas dagegen?« fragte Hellmer.
»Warum, warum? Der Kerl ist so mächtig und einflußreich, daß keiner wagen würde, ihm an den Karren zu fahren. Außerdem konnte man ihm bislang nichts nachweisen. Ob Winzlow ein Päderast war? Wußte vielleicht sogar seine Frau davon und hat sich deswegen von ihm scheiden lassen?Ich werde ihr morgen auf jeden Fall auf den Zahn fühlen. Wenn ich recht haben sollte, dann war Winzlow wirklich ein Schwein. Nach außen erweckte er womöglich, wie viele andere Päderasten oder Kinderschänder, den Anschein, als würde er Kinder über alles lieben, in Wirklichkeit aber benutzte er sie nur, um seine animalischen Triebe zu befriedigen. Und ich sag dir noch eines – je reicher und je mächtiger die Typen sind, desto perverser sind sie. Nicht der einfache Arbeiter oder Angestellte ist pervers, sondern die sind es, die alles haben und die immer auf der Suche nach dem letzten Kick sind. Perversion spielt sich hauptsächlich in höheren Kreisen ab. Der sogenannte normale Mann geht in den Puff, um zu bumsen. Nicht mehr und nicht weniger. Er erwartet für sein sauer verdientes Geld eine anständige Gegenleistung, die er in den meisten Fällen auch bekommt. Doch die Reichen gehen nicht einfach in den Puff, sie brauchen das Besondere. Und das Besondere ist nicht einfach nur, eine Frau zu besteigen und mit ihr zu bumsen . . . Mein Gott, wenn ich mir vorstelle, in was für einen Sumpf wir hier geraten sein könnten, wird mir ganz anders.«
»Beweis es«, sagte Hellmer. »Außerdem, selbst wenn Winzlow sich an Jungs vergangen haben sollte, was ja noch nicht bewiesen ist, was nützt es uns noch? Wir können eh nicht mehr gegen ihn vorgehen.«
»Mein Gott, begreifst du nicht? Wir hätten zum ersten Mal ein Motiv! Wir wüßten jetzt
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