Das achte Opfer
gefragt, taten einige der Prostituierten, als verstünden sie kein Deutsch. Die meisten Freier waren sichtlich schokkiert, drei von ihnen jaulten wie geprügelte Hunde, sagten, sie hätten das zum ersten Mal gemacht und ihre Frauen dürften unter gar keinen Umständen davon erfahren. Lediglich zwei Prostituierte, Deutsche, konnten sich vollständig ausweisen. Die anderen dreizehn konnten weder einen Ausweis noch eine Aufenthalts- oder Arbeitserlaubnis vorweisen. Ihrem Akzent nach handelte es sich um Osteuropäerinnen, wie Julia Durant vermutete, Russinnen und Polinnen. Es waren allesamt ausgesprochen hübsche Frauen, die meisten blond und schlank, von gepflegtemÄußeren, doch in ihren Augen war nichts zu sehen als Angst. Sie wurden zusammen mit dem Tätowierten aufgefordert, sich anzuziehen und in den Transporter zu steigen, der sie zum Präsidium bringen sollte. Die Durchsuchung der Zimmer und des Untergeschosses, in dem sich ein Whirlpool, eine Sauna und eine Bar befanden, dauerte etwas über eine Stunde, doch es wurden weder Drogen noch Waffen gefunden. Um kurz vor halb eins verließen die Beamten das Haus, stiegen in ihre Wagen und machten sich auf den Weg zum Präsidium. Eine lange Nacht der Verhöre stand bevor.
Um ein Uhr war auch der letzte Transport eingetroffen. In einem Haus wurden drei Gramm Kokain und ein Colt der Marke Smith & Wesson sichergestellt. Vierundvierzig Prostituierte waren vorläufig festgenommen worden. Doch der große Coup war fehlgeschlagen. Entweder waren die Hintermänner gewarnt worden, oder die Information, daß in den Häusern Drogen und Waffen gehandelt wurden, war schlichtweg eine Ente. Hellmer und die meisten anderen Beamten waren bereits nach Hause gefahren.
»Wir werden die meisten Damen ausweisen müssen, da sie keine gültige Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung haben«, sagte Schnell um vier Uhr morgens. Er wirkte müde und erschöpft, seine Hände zitterten, als er ein Formular ausfüllte. Neben ihm stand eine Tasse Kaffee, der inzwischen kalt geworden war.
Plötzlich ging die Tür auf, ein verschlafen wirkender Mann mit einer Aktentasche kam herein, murmelte ein »guten Morgen«. Er fragte: »Was soll das hier? Und vor allen Dingen um diese unchristliche Zeit?«
»Was das hier soll? Ich würde sagen, Sie weisen sich erst einmal aus, bevor wir hier ein Frageund-Antwort-Spiel veranstalten.«
»Mayer, Rechtsanwalt Mayer. Also, ich warte«, sagte er mit arrogant verzogenen Mundwinkeln.
»Und was wollen Sie? Wer hat Sie geschickt?«
»Ich bin im Auftrag der Pächter hier. Wie ich hörte, sind sechs Häuser von Ihren Männern durchsucht worden. Haben Sie etwas – gefunden?«
»Das haben wir, zu viele Ausländerinnen ohne Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung. Wir werden sie auf dem schnellsten Weg ausweisen, das sollte Ihnen klar sein. Und außerdem sind die Häuser nicht als Bordelle registriert. Sie wissen, daß es eine Sperrgebietsverordnung gibt, die nur in Ausnahmefällen umgangen werden darf.«
Rechtsanwalt Mayer grinste überheblich, öffnete seine Aktentasche, holte einen dicken Ordner heraus. »Hier«, sagte er, »hier haben Sie alles, was Sie brauchen. Ihre sogenannten Ausnahmefälle sowie die Ausweise und Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen für sämtliche von Ihnen festgenommenen Damen; und natürlich die jeweiligen Gesundheitszeugnisse. Reicht Ihnen das?«
Schnell nahm den Ordner, schlug ihn auf. Er verglich nur ein paar der Namen und Daten mit denen, die er und seine Kollegen erfragt hatten, schlug den Ordner wieder zu. Er lehnte sich zurück, sah Mayer hart und direkt an. »Setzen Sie sich, bitte! Es gibt da einige Fragen, die zu klären wären.«
Mayer setzte sich, ohne auch nur eine Spur seiner Überheblichkeit einzubüßen. Er schlug die Beine übereinander, verschränkte die Hände über den Oberschenkeln.
»Und diese Fragen wären?«
»Wieso sind Sie im Besitz dieser Unterlagen?«
»Nun, da es sich um ordnungsgemäß geführte Betriebe handelt und etliche der Damen der deutschen Rechtsprechung und vor allem Sprache nur unzureichend mächtigsind, wurde beschlossen, sämtliche Unterlagen bei einem Rechtsanwalt zu deponieren. Sie werden sicherlich verstehen, daß dies der beste und sicherste Weg ist. Übrigens sind sämtliche Aufenthaltsgenehmigungen noch gültig.«
»Wer hat das beschlossen, ich meine, das mit dem Rechtsanwalt?«
»Die beiden Pächter der von Ihnen heimgesuchten Häuser. Jetzt beantworten Sie aber bitte eine Frage – warum
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