Das achte Tor
Achseln.
»Die Legende, auf die Sie anspielen, ordnet man den Az-teken zu und nicht den Maya. Sie hat also nichts mit dem zu tun, was für uns von Interesse ist.«
Er hatte in diesem verächtlichen Tonfall gesprochen, in den er gewöhnlich immer verfiel, wenn er sich an seinen Assistenten wandte, was ihn jedoch nicht davon abhielt, näher zu treten und die Freske zu betrachten.
»Jede Gruppe weist bemerkenswerte physiognomische Be-sonderheiten auf«, stellte er fest und fuhr dabei mit den Fingern über den Stein. »Es scheint, als handele es sich eher um Familien als um Stämme … und da!«
Er deutete auf eine präzise herausgearbeitete Form hin, genau an der Stelle, an der die sieben Familien zusammen-trafen.
Ein Würfel.
Ein hohler Würfel, der entlang einer gekrümmten Tei-lungslinie offen war.
13
Ernesto Sappati und Emiliano hatten den gleichen Gedanken. Sie liefen zu dem schwarzen Granitblock und begannen sorgfältig den Staub abzuwischen. Nur unter größter Mühe konnten sie die winzige Rille erkennen, die über vier Seiten hinweglief. Ohne die Freske hätten sie sie niemals entdeckt.
»João! Einen Hammer und einen Meißel!«
»Warten Sie«, warf Emiliano ein, »glauben Sie nicht, dass wir einen Moment überlegen sollten? Wäre es nicht besser, dieses Objekt in einem Labor zu untersuchen?«
»Und wie stellen Sie sich bitte den Transport vor?«, höhnte der Professor. »Das Volumengewicht von Granit beträgt mehr als zweitausendsiebenhundert Kilo pro Kubikmeter.
Ganz zu schweigen von diesem Phänomen der Schwerelosig-keit, mit dem wir nicht umgehen können.«
»Und wenn wir Hilfe anfordern?«
»Damit sich skrupellose Kollegen die Früchte meiner Arbeit unter den Nagel reißen? Kommt nicht in Frage! João, einen Hammer und einen Meißel!«
Ernesto Sappati ging davon aus, dass der dunkle Stein viel härter war als Granit. Sehr viel härter. Ihn aufzubrechen würde ein hartes und langes Stück Arbeit werden. Er setzte den Meißel in der Rille an, holte mit dem Hammer aus und schlug mit voller Kraft zu.
Mit einem kurzen und heftigen Krachen sprang der Würfel auf.
Unter ohrenbetäubendem Lärm zerbarsten die beiden Hälften auf dem Boden.
Im Innern der Halle breitete sich ein schwarzer Staubwir-bel aus, dicht wie Öl.
Im selben Augenblick explodierten die vier Scheinwerfer und tauchten die Szene in eine totale Finsternis.
14
Schreie ertönten.
Schreie des Entsetzens.
Dann folgten schreckliche Schmerzensschreie.
Doch sie erstickten sehr schnell. Nach dreitausendsechs-hundert Jahren Gefangenschaft war Der Andere wieder frei.
15
DER ATEM DER HYÄNE
1
athan täuschte seitlich an, ließ den Ball hinter seiN nem Rücken passieren, nahm ihn knapp über dem Boden wieder auf, bevor er herumschwenkte, um mit der Schulter seinen Gegenspieler abzublocken.
Ein großer, kräftiger Typ, der ihn um mindestens drei-
ßig Zentimeter überragte, versuchte mit Gewalt durch-zubrechen. Nathan duckte sich, wich ihm mühelos aus und spielte sich frei. Er bewegte sich enorm schnell, und der Ball klebte an seiner Hand, als sei er ein verlängerter Körperteil.
Nathan dribbelte zum rechten Flügel und zog dann wieder ins Zentrum. Er hatte schon zwölf Körbe für seine Mannschaft erzielt, aber das genügte noch nicht. Die anderen führten mit einem Punkt Vorsprung, und das Match war in wenigen Sekunden zu Ende. Drei Verteidiger stellten sich ihm entgegen und hinderten ihn daran, in den Wurfkreis zu laufen. Nathan sah sich nach seinen Mitspielern um. Keiner befand sich in Wurfposition. Was ihn nicht weiter wunderte.
Arthur war der Einzige, der Nathans Ansicht nach mannschaftsdienlich spielte und der ihn bei einem Blitzkonter hätte unterstützen können, doch er war hautnah gedeckt. Er versuchte zwar sich loszureißen, und Nathans Pass kam auch perfekt, aber der Druck der Verteidigung war zu stark. Es gelang ihm nicht, den 19
Ball zu fangen, ein gegnerischer Spieler schnappte ihn weg.
Nathan erkannte, dass die Partie verloren war. Die Mannschaft des Lycée Stanislas begnügte sich damit, den Ball in den eigenen Reihen zu halten und auf Zeit zu spielen, bis der Schiedsrichter das Ende der regulären Spielzeit abpfeifen würde. Wenn sich seine Mitspieler wenigstens bewegten, hätte es ein Fünkchen Hoffnung gegeben, aber das war nicht der Fall, und ganz alleine konnte er das Match nicht gewinnen! Er zog sich in die Verteidigung zurück, um zu verhindern, dass der Rückstand noch größer wurde. Und
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