Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das achte Tor

Das achte Tor

Titel: Das achte Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bottero
Vom Netzwerk:
durch ihr langes schwarzes Haar, schob es über den Kopf und ließ es sich wieder ins Gesicht fallen, streckte sich wieder und ließ ihre fein ausgebildeten Muskeln spielen. Dann gähn-te sie … und lächelte.
    ›Ein Panther‹, dachte Nathan und sah sie bewundernd an, ›man könnte meinen, ein Panther!‹
    »Ich habe Hunger«, murrte sie, als würde sie ihm zustimmen.

    333

    »Auch wenn das Haus noch so riesig ist, ich fürchte, es gibt keine Speisekammer«, antwortete Nathan. »Und wenn es eine gibt, sind die Lebensmittel seit Jahrhunderten vergammelt, was auf dasselbe hinausläuft.«
    »Ich könnte ja dich verschlingen!«
    »Nur zu!«
    Shaé zuckte zurück und hielt inne.
    Nathan glaubte zuerst an einen Scherz und hätte beinahe gelacht, aber dann verstand er, dass sie es ernst meinte.
    Sie ertrug seine Nähe nicht. Würde sie vielleicht niemals ertragen. Als Reaktion auf diese Abneigung wurde ihre Seele von einem fast körperlichen Schmerz erfasst.
    Dennoch zweifelte er nicht an dem, was sie ihm gestanden hatte: ›Gerade erst habe ich dich gefunden, da fürchte ich auch schon wieder, dich zu verlieren.‹ Er dachte an die Worte, die sie ihm ins Ohr geflüstert hatte, bevor sie gegen Jaalab in den Kampf gezogen waren. Sie hatte sein Leben verändert, ihm einen Sinn gegeben, und er hatte nicht vor, es ohne sie weiterzuführen.
    Warum errichtete sie eine Barriere zwischen ihnen?
    Im selben Augenblick war ihm klar, dass alles verloren wäre, wenn er diese Barriere akzeptieren würde, alles: ihre Beziehung, ihre Zukunft, ihr Leben.
    »Shaé, ich … ich verstehe nicht«, stammelte er. »Ich verstehe nicht, weshalb, ach, vergiss es! Shaé, ich … ich kann ohne dich nicht leben.«
    »Wieso nicht?«
    Eine geflüsterte Frage.
    »Weil …«
    Er hielt inne, erschreckt durch das unbekannte Universum, das sich vor ihm auftat. Er war unfähig, einen 334

    Schritt vorwärts zu machen. Unfähig, sich noch mehr auszuliefern. Sie lächelte ihn traurig an.
    »Drei Worte, die so schwer auszusprechen sind, nicht wahr?«
    »Shaé, du …«
    »Warte. Beim letzten Mal, als jemand sie zu mir gesagt hat, war ich sechs Jahre alt, Nat. Sechs Jahre. Drei Worte sind bei einem Autounfall verschwunden, und um mich herum hat sich ein Graben aufgetan. Ein entsetzlicher Graben der Einsamkeit. Drei Worte hätten gereicht, ihn zuzuschütten, aber nie wieder hat jemand sie ausgesprochen, und das Etwas hat sich eingenistet. Weißt du was, Nat?«
    Ohne zu zögern fuhr sie fort:
    »Wenn ich ein Kind haben werde, sage ich sie ihm jeden Tag, diese drei Worte! Ich werde sie ihm vorsingen, sie als unendliches Gedicht vortragen, als Gegengift gegen die Turbulenzen des Lebens, als eine Erklärung des Glücks. Ich werde nachts aufstehen, um sie ihm ins Ohr zu flüstern, es in den Schlaf zu wiegen und seine Albträume zu vertreiben. Und wenn es weit weg ist, werde ich sie in den Himmel rufen, damit der Wind sie ihm bringt. Denn ohne diese drei Worte sind wir nichts.«
    Dann schwieg sie, so schön, dass Nathan den Eindruck hatte, eine Tür würde sich öffnen. Eine Tür zu viel mehr Kräften als die von allen Baumeistern zusammen. Eine Tür, durch die er mit Hilfe von drei Zauberworten hin-durchgehen könnte. Diese drei Worte, die in jeder einzelnen seiner Fasern pochten, bis ins Innerste seiner Seele. Dieses drei Worte, die von Anbeginn an in ihm existierten. Seit er sie zum ersten Mal gesehen hatte.

    335

    Drei Worte.
    Er flüsterte sie ihr ins Ohr.
    Shaé zitterte.
    Entgegen ihrer Erwartung tat es ihr weh. Nathans Er-klärung hätte ihr Frieden bescheren sollen, hatte aber stattdessen ein Chaos an widersprüchlichen Gefühlen ausgelöst, die in ihrem Kopf herumschwirrten und ihr Bauchschmerzen bereiteten. Sie hätte sich am liebsten eingekugelt. Verschwinden und vergessen.
    Sie hatte nicht das Recht dazu. Nathan war so weit auf sie zugegangen, jetzt war sie an der Reihe.
    Sie hielt zögernd eine Hand an seine Wange.
    Und zog sie sofort wieder zurück.
    Nathan sah sie stumm und unbeweglich an. Shaés Atem wurde heiser. Sie startete einen neuen Versuch.
    Der ebenfalls scheiterte.
    Der Schmerz in ihrem Innern zerriss sie.
    »Nat, ich …«
    Ein entsetzlicher Durst verschlug ihr die Sprache.
    Der Durst.
    Ihr wurde bewusst, dass sie die Partie verlieren würde.
    Sie hatte niemals die geringste Chance gehabt, sie zu gewinnen. Einsamkeit wäre für immer ihr Schicksal.
    Es sei denn …

    336

3
    ie Nacht ist über Pratum Vorax hereingebrochen.
    D Der Mond

Weitere Kostenlose Bücher