Das achte Tor
Plateau aus dunklem Granit mit einem Durchmesser von vierzig Metern. In seiner Mitte erhob sich eine wuchtige Konstruktion aus gewaltigen Blöcken, die so exakt überein-andergeschichtet waren, dass die Fugen nur kaum sichtbare Rillen bildeten. Das Dach des Bauwerks bestand aus einer einzigen schwarzen Schieferplatte mit einer Dicke von über einem Meter. Die Masse betrug schätzungswei-se Hunderte von Tonnen, und Nathan fragte sich kurz, wer oder was einen solchen Felsen hatte bewegen können.
Es war keine Öffnung zu sehen.
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Vorsichtig umrundeten Shaé und Nathan den Megalit-hen.
Der Ausblick auf der anderen Seite raubte ihnen den Atem. Statt des übelriechenden Dschungels, den sie durchquert hatten, lag nun eine Wüste aus verformten Felsen und spitzen Nadeln vor ihnen, die wie Verwün-schungen zum Himmel zeigten. Steinplatten in labilem Gleichgewicht am Rand unergründlicher Schlünde. Und tief unter ihnen eine Fläche mit kristallinem Wasser, das den Fuß der Felsspitze umspülte.
Nein, Wasser war das nicht.
Aus Wasser entweichen keine Gasbläschen.
Es war Säure. Die Säure, die Nathan kurz zuvor gero-chen hatte. Ein Säuresee.
»Was für ein angenehmer Besuch.«
Eine tiefe Stimme donnerte von hinten. Sie fuhren hoch und drehten sich beide gleichzeitig um. Hypnotisiert von diesem Panorama, hatten sie für einen Moment lang vergessen, wo sie sich befanden.
Jaalab stand vor ihnen, barfuß, mit einer braunen Toga bekleidet, und hielt einen langen, dunklen hölzernen Stab in der Hand.
Er hatte seine vollkommen schwarzen Augen auf sie gerichtet, und seine Statur trotzte dem Himmel. Als Nathan ihn ansah, hatte er plötzlich das Gefühl, einem antiken Gott gegenüberzustehen. Im selben Augenblick überkam ihn eine Welle der Resignation.
Durfte man sich ungestraft einem Gott widersetzen?
Ein sarkastisches Lachen neben ihm traf ihn wie ein Elektroschock.
Es war das Lachen von Shaé.
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»Freu dich nicht zu früh«, fauchte sie, »wir sind hier, um dich zu töten.«
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aalab musterte sie verächtlich.
J »Du lachst, du arme Larve! Du jämmerliches, eingebildetes Nichts! Weißt du, dass mehr als tausend deiner Vorfahren vor dreißig Jahrhunderten das versuchten, was du alleine versuchst? Und alle sind gescheitert!«
»Sie sind nicht gescheitert«, warf Nathan ein, »sie haben dich in diese Weltblase eingesperrt.«
»Was heißt das schon! Das achte Tor ist offen. Seitdem kann ich diesen Ort verlassen und betreten, wie es mir passt.«
»Das werden wir ändern«, fauchte Shaé. »Ein für alle Mal.«
Jaalab brach in schallendes Gelächter aus.
»Ich bin die Kraft des Anderen!«, rief er und wurde dann leiser. »Niemand kann mich töten. Niemand, hört ihr! Und wisst ihr, warum? – Weil ich unsterblich bin!«
»Ein Unsterblicher, der sich versteckt, um seine Verletzung auszukurieren!«, spottete Nathan, ohne sich einschüchtern zu lassen. »Ein Unsterblicher, der sich von Grœnen beschützen lässt! Ein Unsterblicher, der Angst vor zwei armseligen Larven hat! Komisch, nicht wahr?«
Er wollte ihn durch seine Worte verunsichern. Sein Selbstwertgefühl verletzen. Die Verachtung, die in seiner Stimme schwang, traf ihr Ziel. Jegliche Spur von Humor verschwand aus Jaalabs Gesicht. Er biss die Kiefer zu-318
sammen, seine beeindruckende Muskulatur spannte sich an, und sein Griff um den Stab wurde fester. Nathan legte die Hand an sein Schwert, und Shaé bereitete ihre Metamorphose vor.
»Ich gebe euch eine letzte Chance«, hauchte Jaalab heiser. »Verschwindet von diesem Ort. Flieht, wenn euch euer Leben lieb ist!«
»Kommt gar nicht in Frage!«, entgegnete Nathan. »Du hast meine Eltern getötet, du hast uns wie Tiere gejagt, du hast Unschuldige umgebracht. Wir sind hier, um dem ein Ende zu bereiten!«
»Sehr gut!«
Jaalab hob seinen Stab und sprach ein Wort aus.
Ein einziges.
Ein Wort mit barbarischen Konsonanten.
Ein unverständliches.
Ein kurzes, aggressives Wort. Ein Todeswort.
Eine Fontäne purpurnen Lichts schoss aus dem Stab, unangenehme Wellen breiteten sich aus und überfluteten Nathan und Shaé.
Eine intensive Kälte strömte durch ihre Körper. Ihr Atem geriet ins Stocken und ihr Herz schrie kurz und schmerzhaft um Hilfe. Doch wie es gekommen war, hörte es wieder auf.
Die Kälte entwich wieder, vertrieben von einer warmen Welle, die in jede ihrer Zellen drang, ihre Lungen füllte und ihr Herz wieder schlagen ließ. Der Schmerz verschwand, als habe er nie
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