Das Achtsamkeits Buch
sie doch, besser mit sich selbst und den Beziehungen zu anderen Menschen zurechtzukommen. Entscheidend für einen guten Kontakt zu sich und seinen Teilen ist, diese als lebendige Wesen wahrzunehmen. Und mit lebendigen Wesen lässt sich am besten umgehen, wenn man respektvoll und freundlich mit ihnen in Verbindung tritt.
Über das achtsame Verweilen und Erforschen von Persönlichkeitsanteilen hinaus gibt es auch die Möglichkeit, noch gezielter und strukturierter mit einem Teil Kontakt aufzunehmen. Erkundet man ein Gefühl oder eine Seite von sich näher, mit dem Ziel herauszufinden, warum man so fühlt oder so reagiert, tauchen bei den meisten Menschen nach einer Weile Antworten in Form von Worten oder Bildern auf. Bei längerem Verweilen kann sich so etwas wie ein inneres Selbstgespräch entwickeln. Ähnlich wie ein gutes Gespräch mit einem Menschen zu mehr Verständnis führt, als wenn man diesen nur beobachtet oder über ihn nachdenkt, kann auch der bewussteund achtsame Dialog mit einem Teil zu einer besseren inneren Beziehung führen.
Beim achtsamen Dialog mit den Teilen geht es vor allem darum, Gefühle oder mögliche Anliegen von Teilen besser zu verstehen. Manchmal kann man auch frühere Erfahrungen und die daraus abgeleiteten Überzeugungen tiefer nachempfinden. Es braucht – ebenso wie im Umgang mit realen Menschen – Zeit, Geduld und die Bereitschaft, wirklich zuzuhören. Man kann sich diesen inneren Dialog wie ein 4-Augen Gespräch mit einem Menschen vorstellen. Ähnlich, wie man einen Bekannten beispielsweise fragen würde, was ihn so gestresst und angespannt sein lässt, kann man einen Zustand des Getriebenseins mit gezielten Fragen näher untersuchen. Facetten, die dabei entdeckt werden, etwa Sorgen, Zeitdruck, Frustration oder Ungeduld, lassen sich immer weiter und immer genauer erkunden. Mit den differenzierteren Informationen, die so zugänglich werden, kann sich ein Teil der Persönlichkeit, wie zum Beispiel ein »Innerer Antreiber«, deutlicher zeigen und konkretere Form annehmen.
Im achtsamen Dialog bleibt die Aufmerksamkeit konstant auf jenen Teil ausgerichtet, mit dem man sich gerade beschäftigt. Die nötige Offenheit und gleichzeitige Fokussierung lässt sich für viele allerdings erst durch ein Achtsamkeitstraining leichter aufrechterhalten. Die absichtlich passive Haltung hilft dabei, klar, annehmend und konzentriert auf Antworten zu warten. Die können sich als Gefühl, innere Bilder oder Worte zeigen. Manche Menschen sehen sich selbst bildlich vor sich, beispielsweise im gehetzten und angespannten Zustand, wie in dem Beispiel eines »Inneren Antreibers«. Einige können den Teil tatsächlich als konkrete Gestalt oder Form sehen. Andere nehmen körperlich wahr, wie sich der Zustand des Teils anfühlt und konzentrieren sich auf die entsprechende Empfindung. Häufig erlebt man es auch so, als würde ein Teil sprechen.
Die auftauchenden Empfindungen, Bilder, Erinnerungenoder Gedanken, manchmal mit klaren Sätzen oder Botschaften, andere Male eher flüchtig oder diffus, haben oft eine emotional gefärbte Qualität und einen überraschend anderen Inhalt als rationale Erklärungen. Es braucht etwas Geduld und eine entspannte, abwartende innere Haltung, denn die Antworten entstehen meist langsamer als im Alltagsbewusstsein. Obwohl sie tendenziell zögerlicher auftauchen, sind sie oft emotional eindrücklicher. So, als würde man von einem Freund etwas Neues erfahren, etwas, was man vorher so noch nicht wusste oder zumindest nicht in diesem Lichte gesehen hat. Oft stellt sich das Gefühl ein, etwas tiefer zu verstehen. Im Dialog mit dem »Inneren Antreiber« könnte sich etwa zeigen, dass der Teil so hart arbeitet, damit möglichst schnell alles geschafft ist und man dann Zeit für sich selbst hat. Er hat so viel Druck, weil er in kurzer Zeit viel wegarbeiten will, damit man möglichst bald die ersehnte Ruhe und Zeit zum Genießen hat. Bei genauerem Hinspüren könnte unter Umständen deutlich werden, dass er sich so einsetzt, weil sich dahinter ein Gefühl von Überforderung und eine alte Angst vor Versagen verbergen.
Der innere Dialog bewirkt, dass man verborgene Befürchtungen, Wünsche oder Interessen eines Teils im Alltag bewusster berücksichtigen und Zustände besser regulieren kann. Es könnte beispielsweise schneller klar werden, wann das Tun eines »Inneren Antreibers« blinder Aktionismus ist oder wo er sinnvoll ist und gut so bleiben kann. Man hat selbst im Blick, worum es
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