Das Achtsamkeits Buch
einem »extrem unangenehmen Gefühl im Bauch«.
Klient: (mit geschlossenen Augen, nach innen vertieft) »Es ist wie eine … Verdichtung, ein Zusammengedrückt-Sein … oder gezogen. Ich weiß nicht genau.« (Pause)
Therapeutin: (mit entspannter, aber konzentrierter Aufmerksamkeit beim Klienten) »Irgendwie geballt?« (Pause)
Klient: »Ja, genau, wie geballt. (Pause) Es ist sogar richtig wie ein dunkler Ball (Pause) und gefüllt mit einem unangenehmen Prickeln (nach einem Zögern) fast auch wie Übelkeit.« (Pause)
Therapeutin: (bemerkt einen gequälten Ausdruck im Gesicht von K.) »Ein rundes Zentrum quälenden Gefühls?« (Pause)
Klient: »Ja, von dort aus strahlt es auch überallhin, … in alle Richtungen, und ganz besonders in die Schultern.«
Therapeutin: »Es scheint dich irgendwie … ganz zu erfassen?«
Klient: »Ja, es ergreift mich wie eine Klammer, … irgendwie von da innen greift es nach allem.« (Pause)
Therapeutin: »Hat dich … im Griff? … unter Kontrolle?«
Klient: »Mehr wie, … wenn es alles durchdringt und von innen alles einfärbt … von diesem Zentrum aus beherrscht es mich … es ist irgendwie … wie, … wie eine riesige Angst. (Pause) Ja, eine Angst!«
Therapeutin: »Würd’ die dich interessieren? Wollen wir mal einen Moment bei dieser Angst verweilen?«
Klient: »Schön ist es nicht gerade, … aber ja, … was ist das bloß für eine Angst? … Wenn ich dabei bleibe, wird sie größer, … es ist fast so, als ob ich sterben müsste.«
Im weiteren Verlauf wird längere Zeit in Achtsamkeit bei der Angst verweilt und sie untersucht. Herr K. fängt an, Worte für die Qualitäten seiner Angst zu finden (Lieberman, 2008; Creswell et al., 2007; Zeidler, 2007). Er studiert sorgfältig die verschiedensten im ganzen Körper mit der Angst verbundenen Empfindungen. Gegen Ende der Sitzung verbinden sich diese Gefühle intensiv mit Erinnerungen an »genau die gleichen« Zustände lähmender Angst in der Schulzeit.
Objekte der Wahrnehmung
Die Bedeutung des Körpers und der Gefühle
Die Übung der Achtsamkeit beginnt meist mit dem Körper. Dieser bietet nicht nur den einfachsten Gegenstand achtsamer innerer Beobachtung, der Körper ist auch jener Ort, von dem das Gehirn Signale über Gefühlszustände empfängt, um sie zu verarbeiten und zu interpretieren. Dies ist zwar den meisten Menschen nicht bewusst, wird aber von der Neurobiologie eindrucksvoll bestätigt (Damasio, 2000). Ein Mensch, der beispielsweise gedankenverloren eine Straße überquert und plötzlich hinter sich Autoreifen quietschen hört, nimmt seinen Schreck nicht primär innerhalb seines Gehirns wahr. Gleichzeitig mit den Reaktionen im Gehirn treten nämlich im Körper verschiedene Ereignisse auf: Spannungen und andere komplexe Reaktionen. Diese körperlichen Reaktionen werden vom Gehirn ständig verfolgt und interpretiert (Schacter, 1992, 1997; Shacter & Scarry, 2000). Auf diese Weise erfolgt auch die Wahrnehmung von Gefühlen.
Wie die Neurobiologie in den letzten Jahrzehnten verdeutlichte, sind Gefühle für die unbewusste Selbstorganisation und das Verhalten der Menschen äußerst wichtig (Davidson, 2003b). Daher wird auch immer klarer, dass wir bei der wahrnehmenden Erforschung des Leibes sehr dicht mit den Empfindungen verbunden sind, die das Leben der Menschen aus dem Hintergrund formen und gestalten.
Neben der Neurobiologie ist es die immer wichtiger werdende Säuglings- und Bindungsforschung, welche die enorme Bedeutung des frühkindlichen Erlebens, des Körpers und der Gefühle betonen. In ihren schon am Beginn des Lebens gelernten Routinen und Abläufen drücken sich die inneren Einstellungen, Sichtweisen und Erwartungen dem Leben gegenüber aus, die schließlich die Eigenheiten eines Erwachsenen ausmachen (Marlock & Weiss, 2006). Auch aus diesem Grunde wird in fast allen Grundformen der Psychotherapiedaran gearbeitet, den Körper stärker in die Behandlung einzubeziehen.
Zwei Fertigkeiten
Im ersten Abschnitt dieses Buches wird deutlich, wie weit eine beständige Praxis der Achtsamkeit den Übenden führen kann. Es gibt mit der Zeit immer feinere und tiefere Übungen der Geistesschulung. Im Rahmen einer tiefenpsychologischen Therapie sind aber vor allem zwei der wichtigen Grund fertigkeiten bedeutsam:
a) Konzentration: Unter Konzentration versteht man die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit über längere Zeit auf einen Betrachtungsgegenstand gerichtet zu halten (siehe
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