Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Aion - Kinder der Sonne

Das Aion - Kinder der Sonne

Titel: Das Aion - Kinder der Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
Vom Netzwerk:
die Straßen, durch die Nybbas sie führte, leer.
    »Dort vorne ist euer Ziel«, erklärte der Wächter nach kurzem Fußmarsch und deutete mit seiner Lanze die Straße entlang zu einem fünfstöckigen Haus, das sich am Rande eines halbmondförmigen Versammlungsplatzes erhob wie ein kleiner Palast. Es besaß vier von winzigen Glockenstuben gekrönte Ecktürme, kunstvoll verzierte Türstöcke und geschwungene Balkone, die hatten rote Baldachine.
    »Der Gebührenschalter befindet sich hinter dem Eingang gleich links«, erklärte Nybbas. »Ich gebe euch den Rat, umgehend einen zinsgünstigen Weltumlaufkredit zu beantragen. Solltet ihr euch als nicht kreditwürdig erweisen, ist eine Bettelgenehmigung erforderlich.«
     
    Der Magistrat der Stadt war ein dickwanstiger Mann mit Halbglatze, die von dichten, schulterlangen grauen Haarlocken umkränzt wurde. Hatte der Torwächter auf Mira noch wie ein riesiger verkleideter Lampenschirm gewirkt, sah ihr selbsterklärter Gastgeber aus wie eine kostümierte Kirchenglocke.
    Dass der Magistrat über eine erneute Zusammenkunft mit einem Abgesandten des Carinea-Instituts und einem seltsam aussehenden Mädchen aus einer ihm unbekannten Wüstenregion angenehm überrascht war, schien Mira sogar noch gewaltig untertrieben. Er stellte sich als Aderbai Sermon vor, wies ihnen ein geräumiges Wohnquartier zu, ließ sie neu einkleiden und zu allem Überfluss ein üppiges Nachtmahl auftischen. Während sie mit Jiril all die kulinarischen Seltsamkeiten probierte, hielt der Magistrat eine ausschweifende Rede über seine viel zu selten geforderte Gastfreundschaft, die wenigen Besucher, die sich nach Darabar verirrten und deren meist spektakuläre An- und Abreisen.
    Mira nutzte schließlich eine der seltenen Atempausen des Magistraten, um sich beiläufig nach dem Weltenbaum und dessen Geschichte zu erkundigen – worauf dieser, eben noch überschäumend vor Mitteilungsbedürfnis, plötzlich wie versteinert wirkte. »Weltenbaum?«, krächzte er und sah seine Gäste erschrocken an. »Hier, bei uns?«
    Jiril nickte. »Gibt es da ein Problem?«
    Der Magistrat dachte einen Augenblick nach, wobei er ein Gesicht machte, als wollte er beginnen ein Lied zu pfeifen. Dann sagte er, ohne den Blick vom Büfett zu nehmen: »Nein, wieso?« Er steckte sich ein viel zu großes Stück Käse in den Mund und begann zu kauen. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn.
    »Ist es weit bis dorthin?«, interessierte sich Mira.
    »Och …« Der Magistrat versuchte immer größere Stücke von Brot und Käse in seinen Mund zu stopfen. »Halbe Stunde«, meinte er kaum noch verständlich. »Wieso?« Er schob sich zu Miras Entsetzen eine zehn Zentimeter lange Gurke zwischen die bereits vollen Backen und schien nun dermaßen mit Kauen beschäftigt zu sein, dass er keine weiteren Auskünfte mehr zu geben vermochte, was er seinen Gästen mit einer Geste des Bedauerns mitteilte.
    Jiril warf Mira einen hintergründigen Blick zu. Der Magistrat hingegen stopfte sich voll, als ginge es um sein Leben, und erstickte somit jegliche weitere Unterhaltung im Keim. Irgendwann wandelte sich sein Blick plötzlich von hilfloser Bestürzung zu einer Art grimmiger Entschlossenheit.
    »So«, meinte er nach vollbrachter Schwerstarbeit, rülpste herzhaft und erhob sich. »Unglücklicherweise habe ich heute Abend noch einen ungemein wichtigen Termin außer Haus. Ein Projekt von großer Tragweite, das sich nicht aufschieben lässt. Speist weiter, solange es euch mundet. Ihr werdet zudem müde sein und euch von der langen Reise erholen wollen. Nehmt ein erquickendes Bad, genießt den Abend, stellt ohne mein Beisein niemandem Fragen und wundert euch nicht über die … ähm, verschlossene Haustür.« Er eilte aus dem Speisesaal, drückte die Tür jedoch noch einmal auf und rief, ohne den Kopf hereinzustecken: »Ach ja, und lasst meine Fische in Frieden!«
    Mira sah sich verwundert um. »Welche Fische?«
    Jiril schürzte die Unterlippe. »Vielleicht hier irgendwo auf dem Tisch«, rätselte er. »Unter all diesem Grünzeug …« Er stocherte mit seiner Gabel in einigen Platten herum, deren Inhalt von dicken Kräuterschichten oder Salatblättern bedeckt war. Sie enthielten alles, nur keinen Fisch.
     
    Die anschließende Nacht war unangenehm kurz, was Jiril zufolge daran lag, dass Darabar beständig Richtung Osten schwebte, gegen die Erdrotation, dem Sonnenaufgang entgegen. Dadurch waren die Tage knapp zweieinhalb Stunden kürzer, was ihrem Gastgeber

Weitere Kostenlose Bücher