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Das Aktmodell

Das Aktmodell

Titel: Das Aktmodell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jina Bacarr
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natürlich werdet Ihr das tun, Mademoiselle. Oder ich werde dafür sorgen, dass Monsieur Borquet seine Bilder in keinem Salon von Paris mehr ausstellen darf.”
    “Das könnt Ihr nicht machen.”
    Erpressung! Diese alte Hexe.
    “Und ob ich das kann. Und ich werde es auch tun.” Madame Chapet spielt nervös mit den Federn an ihrem Hut. Sie leckt sich einige Male über die Lippen und atmet schwer ein und aus. Dann steckt sie sich eine Zigarette an, um die eben geäußerte Drohung sacken zu lassen. Ich drehe meinen Kopf zur Seite. Rauchen ist eine französische Angewohnheit, die fast so schlimm ist wie ihre Arroganz. Ich schaue mich im Inneren der Kutsche um. Der Zigarettenrauch färbt die Luft in ein schmutziges Grau und verstärkt den klaustrophobischen Eindruck.
    “Ich habe jetzt genug von Euren Beleidigungen, Mademoiselle”, sagt Madame Chapet. “Mit Euch Mädchen habe ich bisher nichts als Ärger gehabt. Vor allem mit den Künstlermodellen. Monsieur Gromain ist verärgert, sehr verärgert, und sucht dringend nach einem neuen Modell. In den letzten Wochen hat er überall das Gerücht verbreitet, dass mein
Maison de Tolerance
nicht mehr die schönsten Mädchen von Paris hat. Das ist alles Lillies Schuld. Lässt sich einfach ins Gefängnis sperren. Hat mich einiges an Geld gekostet, dieses kleine Luder.”
    Da kommt mir plötzlich eine Idee.
    “Ich werde das machen, Madame.”
    “Was werdet Ihr machen?”
    “Für die Künstler Modell stehen.”
    “Ihr, Mademoiselle? Ihr seid wunderschön, und von dem, was ich unter dieser fürchterlichen Gefängnisuniform erahnen kann, habt Ihr auch eine gute Figur …” Ihre Stimme verliert sich, während sie mich mit ihren Augen auszieht, was mir einen Schauer über den Rücken jagt. “Aber Ihr habt keine Erfahrung …”
    “Doch, die habe ich, Madame.” Stimmt ja auch. Ich habe nackt vor dem alten Künstler im Quartier Marais Modell gestanden, oder etwa nicht? In mir wächst ein Plan.
    Nutze deine Schönheit, um aus diesem Schlamassel wieder herauszukommen.
    “Bei wem habt Ihr Modell gestanden, Mademoiselle?” Sie glaubt mir nicht. “Diese Künstler sind sehr eigen und wollen jemanden mit Erfahrung.”
    “Ich werde ihnen etwas Frisches, etwas Neues bieten. Etwas, was sie niemals sonst in Paris finden werden. Sie werden sich mir nicht entziehen können.”
    Madame Chapet verengt die Augen zu engen Schlitzen. “
Eh bien
, was?”
    “Was wäre denn, wenn ich nun
nicht
eines Eurer Mädchen würde?”
    Madame Chapet schüttelt verneinend den Kopf.
    Denk nach!, sporne ich mich an.
    “Zumindest nicht sofort. Ihr könnt Monsieur Gromain sagen, dass ich erst vor Kurzem in Paris eingetroffen bin und dass noch kein Mann mich bisher geliebt hat.”
    “
C’est vrai?
Stimmt das?”
    “
Mais oui
, Madame Chapet. Fragt eure Herren, fragt jeden, den Ihr kennt. Keiner kennt mich in Paris. Keiner.”
    “Außer Monsieur Borquet. Wird er etwas verraten?”
    Ich hole tief Luft. “Nicht wenn Ihr mich mit ihm sprechen lasst. Allein.”
    “Nein. Ich werde Euch begleiten, Euch beobachten, sicherstellen, dass er Euch nicht berührt. Von diesem Augenblick an, Mademoiselle, darf kein Mann Euch mehr anfassen. Ihr müsst so rein sein wie eine Jungfrau, nicht wie eine Frau, die den Wolf gesehen hat, wenn Ihr versteht, was ich meine.”
    Die Vorstellung, dass Paul mich nicht berühren darf, ist schrecklich, fast nicht zu ertragen, und ich erkenne mit süßer Wehmut, wie stark unsere Verbindung in der kurzen Zeit, die wir uns kennen, schon geworden ist.
    “… und ich werde Lord Bingham in das Atelier von Monsieur Gromain einladen, damit er Euch sehen kann.
Bien
, Ihr versteht, Mademoiselle”, die Madame beugt sich vertraulich zu mir hinüber und flüstert, “wenn Ihr für diese Künstler Modell steht, dann müsst Ihr nackt sein.”
    Nackt?
    Das ist mir zu viel. Ich bedecke meinen Mund mit einer Hand, aber egal wie sehr ich mich bemühe, egal wie absurd diese ganze Situation gerade ist, ich fange an zu lachen und kann nicht mehr aufhören.
    Das geht ja gut weiter.
    Ich werde mich nie mehr darüber beschweren, im Haifischbecken der Maklerwelt zu schwimmen. Sich gegen die schmutzigen Tricks der Konkurrenten zu wehren ist ein Witz gegen einen Tag im Hof von St. Lazare. Selbst als Davids Reißverschluss mir ins Gesicht starrte und ich mich vor dem sägenden Geräusch von Metall auf Metall fürchtete, wenn er ihn aufzog, habe ich nicht eine solch furchtbare Panik gespürt.
    Und nun bin ich

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