Das aktuelle Erbrecht
hätte Anspruch auf den Pflichtteil in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Neben der Schwester Schwanhild (Verwandte zweiter Ordnung) wäre Emma als gesetzliche Erbin zu drei Vierteln berufen.
Beim Pflichtteil ist allerdings zu unterscheiden: Da Emma enterbt wurde, steht ihr nur der kleine Pflichtteil zu, der sich errechnet ohne das Viertel aus dem pauschalen Zugewinn. Im Einzelnen bedeutet dies: Weil die Schwester Schwanhild eine Verwandte zweiter Ordnung ist, stünde Emma ein gesetzlicher Erbteil von 1/2 zu; da der pauschale Zugewinnausgleich außer Acht bleibt, beträgt Emmas Pflichtteil die Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils, also 1/4. Zusätzlich hätte Emma Anspruch auf den Zugewinn, wenn denn einer entstanden ist und sie dies beweisen kann. Hat Emil seine Frau dagegen nicht enterbt, aber beispielsweise mit einer zu geringen Quote eingesetzt, so beträgt Emmas Pflichtteil 3/8, wobei in diesem Fall kein konkreter Zugewinnausgleichsanspruch gegeben ist – vorausgesetzt, Emma nimmt die Erbschaft an.
Anspruch auf den Pflichtteil haben:
Kinder und Kindeskinder (eheliche, nichteheliche, durch Ehe legitimierte, adoptierte, nicht Stiefkinder)
der Ehegatte, wenn die Ehe nicht geschieden ist und kein begründeter Scheidungsantrag vorlag
die Eltern, wenn der Erblasser weder verheiratet ist noch Abkömmlinge hinterlässt
Grundzüge der Reform des Pflichtteilsrechts
Viele sind der Ansicht, dass das Pflichtteilsrecht insgesamt überholt sei und nicht mehr in unsere Zeit passe. Das hat der Gesetzgeber anders gesehen, seine Grundzüge unverändert gelassen und es lediglich in einzelnen Punkten vorsichtig korrigiert.
Hat der Erblasser zu Lebzeiten Teile seines Vermögens verschenkt, gilt im Erbfall nicht mehr das Alles-oder-Nichts-Prinzip der Zehnjahresfrist. Die Pflichtteilsergänzung verringert sich um ein Zehntel mit jedem Jahr, das zwischen der Schenkung und dem Tod liegt (vgl. Kapitel 12 ).
Die – seltenen – Möglichkeiten, den Pflichtteil zu entziehen, wurden geringfügig verändert.
Der Erbe, der den Pflichtteilsanspruch (in Geld) erfüllen muss, kann leichter als bisher eine Stundung durchsetzen.
Beschränkter bzw. belasteter Erbteil: Ausschlagen und den Pflichtteil verlangen
In einem Punkt hat der Gesetzgeber eine „Gestaltungsfalle“ beseitigt, die den Fachleuten seit Jahrzehnten größte Schwierigkeiten bereitet hat. Ein Pflichtteilsberechtigter, der als Erbe eingesetzt, aber durch ein Vermächtnis beschwert oder in anderer Weise belastet ist (z. B. Teilungsanordnung, Testamentsvollstreckung), kann den Erbteil künftig ausschlagen und den Pflichtteil begehren. Das ging bisher nur unter bestimmten, eng begrenzten Voraussetzungen und konnte, wenn es falsch gemacht wurde, dazu führen, dass der Erbe nach der Ausschlagung weder Erbnoch Pflichtteil erhielt und leer ausging. Bei allen Erbfällen, die nach 2009 eintreten, kann der pflichtteilsberechtigte Erbe daher kühl rechnen, ob ihm der belastete bzw. beschränkte Erbteil (beispielsweise nach Abzug eines Vermächtnisses) günstiger erscheint als der Pflichtteil.
Beispiel:
Gerhard ist verwitwet. Aus seiner Ehe stammen die Kinder Simone und Georg, die er in seinem Testament zu Erben zu je 1/2 eingesetzt hat. Er hat Testamentsvollstreckung angeordnet und einen Freund zum Vollstrecker eingesetzt.
Simone und Georg können – weil sie keine Lust haben, sich mit dem Testamentsvollstrecker herumzuärgern – die Erbschaft ausschlagen und den Pflichtteil verlangen. Der Anspruch richtet sich gegen den oder die neuen Erben. Ob sich die Ausschlagung finanziell lohnt, ist eine andere Frage.
Wie wird die Höhe des Pflichtteils festgestellt?
Sie hängt ab vom Erbteil bei gesetzlicher Erbfolge und natürlich von der Größe der Erbschaft. Schieben Sie also zunächst alle Testamente und Erbverträge beiseite und ermitteln Sie, welchen Erbteil der Pflichtteilsberechtigte bei gesetzlicher Erbfolge beanspruchen könnte.
Beispiel:
Die Eheleute Elke und Ehrenfried, die im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben, hatten ursprünglich drei Kinder, Käthe, Kim und Kirsten. Kim ist frühzeitig verstorben und hat die Enkel Enzio und Emilio hinterlassen. In einem gemeinschaftlichen Testament haben Elke und Ehrenfried sich wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt. Beim Tod von Ehrenfried macht Emilio seinen Pflichtteil geltend.
Ohne Testament stünde Elke neben den Abkömmlingen die Hälfte des Nachlasses zu, die andere Hälfte müssten sich die Kinder
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