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Das Alabastergrab

Titel: Das Alabastergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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niemandem in der Fraktion etwas gegen ihn eingefallen. Im Gegenteil.
In der Zeit von Gegenkandidaten, Intrigen und unehelichem Nachwuchs der
Parteielite war Kolonat Schleycher ein Paradebeispiel von vorbildlicher CSU -Karriere.
    Eigentlich war er gelernter Dorfpfarrer einer kleinen Gemeinde in
der bayerischen Rhön gewesen, doch dann hatte er sich bald durch die
Kommunalpolitik einen Namen in der CSU gemacht. Kurz darauf folgte der Aufstieg in mittlere und auch höhere
Parteiämter, und das, ohne groß aufzufallen, was in der CSU keine leichte Übung darstellte. Neider gab es natürlich
trotzdem. Aber wie wollte man einem ehemaligen Geistlichen, der noch dazu eine
geradezu seelsorgerische und einnehmende Öffentlichkeitsarbeit hinlegte, am
Lack kratzen? Kaum im Amt des Ministers eingeschworen war Kolonat Schleycher
schon der beliebteste Minister beim Volk. Ein »Everybody’s Darling«, der nach
Wahlstimmen geradezu stank. Da musste man schon auf einen gewaltigen Skandal
hoffen, um so jemanden noch vom Sockel zu stoßen. Kolonat Schleycher wusste um
die Haifische, die ihn von der Basis her treuherzig und falsch anlächelten. Er
hatte seine Pfründe zu sichern und Unbill in der Öffentlichkeitsarbeit zu
vermeiden. Und deswegen war er hier.
    Er atmete noch ein letztes Mal tief durch und begann seine erste
Rede in Banz. »Probleme sind da, um bewältigt zu werden!«, rief er ins
Auditorium. »Die CSU kann und will
es nicht jedem recht machen, besonders nicht in der Umweltpolitik. Liebe
Kolleginnen und Kollegen, ich stehe hier, um Ihnen unbequeme und unpopuläre
Entscheidungen vorzulegen. Entscheidungen, die …«
    In diesem Moment fiel das Licht aus. Dann versagte die Tonanlage.
Nach einem kurzen Moment des Erschreckens machte sich verunsichertes Kichern im
Raum breit.
    »Der Herr selbst hat dir wohl den Saft abgedreht, was?«, rief ein
potenzieller Missgünstling aus den hinteren Reihen, und damit war der Bann
gebrochen. Die CSU -Fraktion lachte
sich tot. Es wurde entschieden, eine Sitzungspause einzulegen, und Kolonat
Schleycher hoffte, dass dieser Stromausfall nicht ein böses Omen für seine
Amtszeit war.
    *
    In Nedensdorf war Volksfeststimmung. Kanu- und Kajakfahrer aus ganz
Bayern hatten sich zur finalen Großkundgebung an der Einstiegsstelle
versammelt, um gegen die angeblichen üblen Machenschaften der Fischerei zu
demonstrieren. Am morgigen Sonntag wollte man im Zuge eines
»Widerstandspaddelns« auf dem Main bei der Öffentlichkeit und vor allem bei der
Regierung auf dem Banzberg für mehr Aufmerksamkeit sorgen. Die
Auseinandersetzungen zwischen Anglern und Bootsfahrern hatten im letzten halben
Jahr dramatisch an Schärfe zugenommen. Geschichten von Prügeleien auf
Kiesbänken, angebohrten Booten bis hin zu vergifteten Fischen waren im Umlauf.
    Das Fass zum letztendlichen Überlaufen aber hatte der
Fischereibevollmächtigte Rast gebracht. Der hatte sich vergangenen Juli groß
für die Lokalzeitung ablichten lassen und verkündet, dass das Paddeln auf dem
Main ja quasi schon erledigt war und diese bootfahrenden Umweltverbrecher im
Prinzip bereits Flussgeschichte darstellten. Die Fischerei und seine Person im
Speziellen hätten dafür schon alle erforderlichen Mehrheiten beisammen et
cetera. Das Interview hatte mit dem unglücklichen Vergleich geendet, dass ein
Bootsfahrer für den Main auch nicht besser sei als eine Heuschreckenplage für
Äthiopien.
    Daraufhin war ein kollektiver Aufschrei durch die fränkische
Paddlergemeinschaft gegangen. Der Deutsche Kanuverband schrieb eine offizielle
Protestnote an das Bayerische Umweltministerium, in der oberen
Fischereifachbehörde in Bayreuth stapelten sich die Anträge auf Gutachten, und
beim Bamberger Landrat gaben sich die entsprechenden Parteifunktionäre der
Kampfhähne die Klinke in die Hand. Schließlich hörte man in der Szene das
Gerücht, dass der neue Umweltminister in einer seiner ersten großen
Amtshandlungen den ganzen Streit unterbinden wolle und eine Verordnung erlassen
werde. Ob diese zugunsten der Bootsfahrer oder der Anglerschaft ausfallen
werde, war aus seinen Äußerungen jedoch nicht ersichtlich. Da hielt sich das
Umweltministerium ziemlich bedeckt. Kolonat Schleycher ging offensichtlich
wesentlich bedachter vor als sein Amtsvorgänger, dem man eine natürliche
Affinität mit der Paddlerei angemerkt hatte. Aber es lag etwas in der Luft, das
spürte jeder, der in diesen Zank involviert war. Deshalb war für den morgigen
Sonntag auch die erste

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