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Das Alabastergrab

Titel: Das Alabastergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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»wenn du glaubst, es geht nicht mehr, kommt von
irgendwo ein Gedichtlein her, hahaha.« Begeistert von sich selbst rollte er die
obligatorische feuchte Zigarre zwischen seinen Fingern hin und her.
    Driesel wirkte auf einmal leicht gequält, Lagerfeld begnügte sich
damit, seine Augen mit der rechten Hand zu bedecken, und Dr. Newman schwieg
perplex.
    »Ich schau mal draußen, was das Phantombild macht«, entschuldigte
sich Lagerfeld und überließ die beiden Nürnberger Gäste ihrem Schicksal im
Glaspalast.
    »Alles klar?«, fragte er Manuela Rast, die ziemlich still neben
ihrem Sohn saß. Haderlein hatte es geschafft, ihn in der Dienststelle unter die
Aufsicht seiner Mutter zu stellen. Müde nickte sie dem Kommissar zu, als der
versuchte, sie aufzumuntern. Immerhin hatte das Phantombild schon ziemlich
konkrete Züge angenommen. Der Mann war relativ alt, trug Rastalocken, und die
Gesichtszüge, die sich herauskristallisierten, kamen Lagerfeld seltsam bekannt
vor.
    »Aber das gibt’s doch nicht!«, rief er plötzlich fassungslos, als
ihm klar wurde, wen das Bild darstellte. »Der heißt Wurm, Stefan Wurm aus
Forchheim! Ich besorge sofort einen Haftbefehl und lass den Kerl herbringen.
Das ist ja nicht zu fassen.«
    Manuela Rast und ihr Sohn blickten sich noch verständnislos an, als
Kommissar Bernd Schmitt schon kopfschüttelnd zum Telefon griff.
    *
    Haderlein hatte gerade seinen Multipla auf dem Parkplatz neben der
Gangolfskirche abgestellt. Sein Retter in der Not wohnte in dem Haus am
Gangolfsplatz mit der alten Hausnummer 913. Schon lange war das nicht mehr die
richtige Nummer, aber in den Jahren 1803 bis ungefähr 1850 waren in Bamberg
alle Häuser mit Zahlen versehen worden – ohne sich an Straßennamen zu
orientieren. So konnte es in jener Zeit vorkommen, dass das Haus 21 vom Haus 22
durch die gesamte Innenstadt getrennt war. Der Unsinn hatte ein Ende, als
niemand mehr per Hausnummer gefunden werden konnte. Auch dieses Wissen
verdankte Haderlein dem Mann, der ihm gerade die Tür öffnete.
    »Der Herr Kriminalhauptkommissar? Was verschafft mir denn die
unverhoffte und unangemeldete Ehre?«, begrüßte ihn Prof. Dr. Egidius Habermehl,
seines Zeichens Kulturhistoriker und Spiritus Rector der Bamberger
intellektuellen Bierkellerszene. Prof. Dr. Habermehl pflegte ein
Erscheinungsbild, als wäre er soeben der Rühmann’schen Feuerzangenbowle
entsprungen. Er trug Schnauzbart, eine bräunlich karierte Weste, Stoffhose und
hatte eine kleine Nickelbrille auf der nicht zu übersehenden Nase sitzen. Einen
Führerschein besaß der Professor ebenso wenig wie Verständnis für das strenge
bayerische Nichtrauchergesetz, weshalb Franz Haderlein auch bei jedem seiner
Besuche eine Wolke Zigarettenqualm aus der geöffneten Haustür entgegendampfte.
In der Raucherfrage verstand sich Habermehl definitiv besser mit Lagerfeld, in
allen anderen Fragen das Leben betreffend dagegen eher nicht.
    »Wissen Sie wieder mal dienstlich nicht weiter, Herr Kommissar?«,
stellte Professor Habermehl mehr fest, als dass er fragte. Eigentlich freute er
sich immer, wenn Haderlein vor seiner Tür auftauchte, wollte es aber nicht so
offensichtlich zugeben.
    »Da haben Sie den Nagel auf den Kopf getroffen, aber ich muss Sie
leider bitten, mit mir zu kommen. Das Problem, das wir diesmal zu lösen haben,
duldet keinen Aufschub«, erklärte er.
    Der Professor musterte ihn kurz hinter seiner Nickelbrille. Dann
seufzte er und griff scheel grinsend nach seinem Mantel. »Die Spesen trägt doch
wie immer die Bamberger Polizei?«
    Aha, lächelte Haderlein in sich hinein, der Professor war mal wieder
pleite. Das passierte ihm öfter. Doch sein chronisches Loch im Geldbeutel
rührte mitnichten, wie man vermuten könnte, von fehlendem Sachverstand, sondern
von der unglaublichen Sturheit, mit welcher der Professor Lehraufträge und
Expertisen ablehnte. Wenn ihm der Auftraggeber oder die angebotene Aufgabe an
sich nicht passte, schlug er demjenigen sein Ansinnen ohne Rücksicht auf
Verluste metaphorisch um die Ohren. Aus diesem Grund fanden sich in Bamberg
etliche Leute, die mit Professor Habermehl nichts mehr zu tun haben wollten.
Die einzige Bevölkerungsgruppe, die ihn wirklich gern hatte, waren die
Bamberger Wirte und Weinstubenbesitzer. Aber auch das schien sich zu ändern,
denn seit der Einführung des Rauchverbots war er schon mal der einen oder
anderen Gaststube verwiesen worden, weil er den Wirt als nichtrauchenden
Speichellecker beschimpft hatte. Kurz

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