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Das Alabastergrab

Titel: Das Alabastergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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und konnte Habermehl einzig mit einem
selten dämlichen Gesichtsausdruck anstarren, dem die anderen jedoch in nichts nachstanden.
    Der Professor brach in lautes Lachen aus, das im Kirchenschiff
widerhallte. »Nicht schlecht, der Kleine«, meinte er anerkennend, während er
sich noch immer lachend mit ausgebreiteten Armen im Kreis drehte. Dann musste
er sich auf eine Kirchenbank setzen, weil ihm schwindlig geworden war. »Also«,
klärte er, begeistert von Clemens’ Kreativität, die anderen auf, »dieser Dom
wurde zwar nicht von einem Ludwig gebaut, aber Ludwig I. von Bayern hat dieses
Gotteshaus um 1830 herum völlig renovieren lassen. Alles, was nicht zum
Mittelalter gehörte – also Stuck und das ganze Barockzeugs –, wurde
herausgerissen oder in die Klosterkirche der Benediktiner St. Michael gebracht.
Die ganzen Innereien des Doms befinden sich also auf dem Michelsberg. Damals
gab es eine Gegenbewegung zum Barock. Wir sind hier also ganz und gar falsch.
Ludwigs Dom ist die Benediktinerkirche St. Michael. Und der Bischof von Rom ist
auch nicht Clemens II ., sondern
der heilige Bischof Otto von Bamberg, der auf dem Michelsberg begraben liegt.
Der Namenspatron des Ottonianums. Wenn wir diese Zeilen verstehen wollen,
müssen wir jetzt auf den Michelsberg.«
    In der heraufziehenden Dämmerung beobachtete Nikolai die vier
Männer, wie sie in aller Eile aus dem Dom herauskamen und eifrig diskutierten.
Ein Buch hatten sie, soviel er sehen konnte, nicht dabei, dafür aber verfügten
sie offensichtlich über neue Erkenntnisse. Während der Fiat an ihm vorbei
Richtung Torschuster den Berg hinaufschoss, startete Nikolai seinen Wagen und
ließ den Land Rover langsam aus der alten Hofhaltung herausrollen. Er hatte es
im Gefühl, dass das Geheimnis dieses verschwundenen Buchs bald gelüftet werden
würde. Mit ausgeschalteten Scheinwerfern folgte er dem Auto der Bamberger
Polizei.
    *
    Lagerfeld bremste direkt vor den Stufen der Freitreppe, die zur
Benediktinerkirche St. Michael hinaufführte. Habermehl sprang als Erster aus
dem Auto und lief die Stufen Richtung Eingang im Eiltempo hinauf.
    »Moment mal, Herr Professor«, rief Haderlein ihm hinterher. Doch
Habermehl witterte die Lösung des Rätsels und war, so hatte Haderlein den
Eindruck, gerade nicht für vernünftige Argumente zu haben.
    Dank der exponierten Lage auf dem Hügel war es in der
Michaeliskirche noch etwas heller als im Dom. Als Habermehl zur Gewölbedecke
aufschaute, musste er schon wieder kichern.
    »Ein wirklich ungewöhnlich cleveres Kerlchen«, brachte er heraus.
»Der ›Hort mit dem Garten am Fluß‹. Sehen Sie hinauf, da oben haben Sie ihn.«
    Die anderen, die es nun auch in die Kirche geschafft hatten,
blickten planlos an die Decke. Zwar waren irgendwelche Gemälde von Pflanzen zu
erkennen, aber von einem Garten oder einem Fluss fehlte jede Spur.
    Doch Professor Habermehl erlöste sie gnädig aus ihrer Unwissenheit.
»Das, was Sie da oben sehen, meine Herren, ist eine Pflanzensammlung von
fünfhundertachtzig Exemplaren. Aufgebracht als Verzierung des Deckengewölbes.
Das Mittelschiff, die Seitenschiffe, das Querschiff, die Vierung und sogar die
Westempore sind mit diesen Pflanzen ausgemalt worden. Ein einmaliges Deckengemälde.
Einzigartig in Europa.« Habermehl verlor sich in seinem eigenen Staunen und
seiner Ehrfurcht.
    »Aber wo soll denn da ein Fluss sein?«, fragte Lagerfeld
verzweifelt. »Ich seh keinen.« Die anderen nickten zustimmend.
    Wie durch einen Zauber erwachte Habermehl aus seiner
Selbstvergessenheit. »Hier ist auch kein Fluss zu finden«, erklärte er stolz.
»Den gibt es nur im übertragenen Sinne. Dieses Deckengemälde zeigt die Pflanzen
eines realen Gartens um 1600 an der Altmühl. Den sogenannten ›Hortus
Eichstättensis‹ des Fürstbischofs von Gemmingen, der als Kupferstich
überliefert wurde. Der Garten wurde um 1600 im Dreißigjährigen Krieg von den
Schweden zerstört und existierte somit nur wenige Jahre: ›Zertreten von
schwedischem Fuß‹.«
    »Der Fluss ist also die Altmühl, und wir sind hier definitiv
richtig?« Jetzt begann es auch bei Lagerfeld langsam zu dämmern. War er bisher
den Gedankensprüngen von Habermehl nur mühsam oder überhaupt nicht
hinterhergekommen, so reifte in ihm nun die vermeintliche Lösung heran. »Der Bischof!«,
rief er voller Erregung. »Na klar! Das Buch ist in dem Grabdurchgang vom Otto!«
    Mit diesen Worten rannte er zum Grabdenkmal von Bischof Otto von
Bamberg. Haderlein und Newman

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