Das Alexandria-Komplott
nebeneinander an der Bordwand und lasen. Pitt vermutete, daß es sich um Schriftrollen handelte. Einer beugte sich gerade über eine Holzkiste, während der letzte etwas schrieb.
Pitt hatte das Gefühl, in eine Zeitmaschine geraten zu sein. Er konnte einfach nicht glauben, daß er hier Menschen vor sich hatte, die Bürger des kaiserlichen Rom gewesen waren. Seefahrer aus längst vergangener Zeit, die Häfen angesteuert hatten, die schon lange unter dem Schutt späterer Zivilisationen verborgen lagen; Vorfahren aus einer Zeit vor sechzig Generationen.
Auf die arktische Kälte waren sie nicht vorbereitet gewesen. Keiner trug dicke Kleidung; alle hatten sich grobe Decken übergeworfen. Verglichen mit Pitt schienen sie von winziger Statur; alle waren einen guten Kopf kleiner. Ein kleiner Mann war kahl, bis auf einen grauen wolligen Haarkranz. Ein anderer hatte flammend rotes Haar und trug einen mächtigen Bart. Die meisten waren glatt rasiert. Soweit Pitt das durch den Eisschleier erkennen konnte, war der jüngste ungefähr achtzehn Jahre alt, der älteste um die Vierzig.
Der Seefahrer, den der Tod beim Schreiben ereilt hatte, trug eine eng anliegende Lederkappe auf dem Kopf und hatte lange Wollstreifen um Beine und Füße gewickelt. Er war über einen kleinen Stapel Wachstafeln gebeugt, der auf der verschrammten Platte eines kleinen Tischs lag. Seine rechte Hand hielt einen Griffel.
Die Mannschaft sah nicht so aus, als sei sie verhungert oder langsam erfroren. Der Tod hatte plötzlich und unerwartet zugeschlagen.
Den Grund konnte Pitt nur vermuten. Alle Lukendeckel waren gründlich abgedichtet, um die Kälte draußen zu halten, und die einzige Luftzufuhr war zugefroren. Die Töpfe, die das letzte Mahl enthielten, standen noch auf einem kleinen Ölofen. Für Hitze und Rauch hatte es keinerlei Weg nach draußen gegeben. Tödliches Kohlenmonoxid hatte sich innerhalb des Frachtraums gebildet. Die Ohnmacht war ohne jede Vorwarnung eingetreten, und jeder Mann war an dem Platz gestorben, an dem er gerade saß.
Ganz vorsichtig, als habe er Angst, die vor langer Zeit verstorbenen Seeleute zu wecken, entfernte Pitt das Eis von den Wachstabletts, bis er sie lösen konnte. Dann zog er den Reißverschluß seines Taucheranzugs auf und schob sie hinein.
Pitt spürte die schmerzhafte Kälte nicht mehr, auch nicht den Schweiß der Nervosität, der aus seinen Poren drang, oder das Schaudern. Mit seinen Gedanken war er so sehr in der morbiden Szene verhaftet, daß er nicht einmal die wiederholten Forderungen Giordinos wahrnahm, der ihn bat, sich doch endlich zu melden.
»Bist du noch da?« rief Giordino. »Antworte, verdammt noch mal!«
Pitt murmelte ein paar unverständliche Worte.
»Wiederhol das. Hast du Schwierigkeiten?«
Giordinos besorgter Tonfall rüttelte Pitt schließlich aus seinem Trancezustand auf.
»Setz Commander Knight davon in Kenntnis, daß sich seine schlimmsten Befürchtungen bewahrheitet haben«, antwortete Pitt. »Es handelt sich tatsächlich um ein Schiff aus der Antike. Und außerdem«, fügte er mit monotoner Stimme lakonisch hinzu, »kannst du einfließen lassen, wenn er Zeugen braucht – ich habe die Mannschaft gefunden.«
18
T elefon für dich«, rief Julius Schillers Frau durchs Küchenfenster.
Schiller stand gerade hinter dem Haus auf seinem baumreichen Grundstück in Chevy Chase und sah vom Grill auf. »Wer ist es?«
»Hat seinen Namen nicht genannt, klingt aber wie Dale Nichols.«
Er stieß einen Seufzer aus und hielt eine Grillzange hoch. »Komm und kümmere dich einstweilen um die Steaks, damit sie nicht verbrennen.«
Mrs. Schiller gab ihrem Mann einen flüchtigen Kuß, als sie sich auf der Veranda begegneten. Er betrat sein Büro, schloß die Tür und hob den Hörer ans Ohr.
»Ja, bitte?«
»Julius, Dale.«
»Was haben Sie auf dem Herzen?«
»Tut mir leid, am Sonntag zu stören«, erklärte Nichols. »Ich hoffe, ich bin nicht in irgend etwas reingeplatzt.«
»Nur ins Familienbarbecue.«
»Sie müssen wirklich hart im Nehmen sein. Sind ja bloß fünfundvierzig Grad draußen.«
»Immer noch besser, als in der Garage zu rauchen.«
»Steak und scrambled eggs mag ich am liebsten.«
Schiller begriff Nichols' Anspielung und schaltete sein Telefon auf eine sichere Leitung und damit auf elektronischen Scramblerbetrieb um. »Okay, Dale, was liegt an?«
»Hala Kamil. Der Austausch ist problemlos über die Bühne gegangen.«
»Dann befindet sich ihre Doppelgängerin jetzt im Walter Reed
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