Das Alexandria-Komplott
führte und die vom Bodenpersonal für Wartungsarbeiten benutzt wurde. Dann legte er den Fallschirm bereit.
Als sein erster und zweiter Offizier erschienen, saß Lemke im Pilotensitz über das Flughafenhandbuch gebeugt. Sie grüßten sich flüchtig und gingen dann gemeinsam die Positionen der Flugvorbereitung durch. Weder der Copilot noch der Ingenieur merkten, daß Lemke ungewöhnlich ruhig und gedankenverloren war.
Ihre Sinne wären wohl wacher gewesen, wenn sie nur geahnt hätten, daß dies ihre letzte Nacht auf Erden werden würde.
Im Innern der überfüllten Lounge sah sich Hala Kamil einem Gewirr von Mikrofonen und grellen Kamerascheinwerfern gegenüber. Mit unerschöpflicher Ausdauer, so schien es, ertrug sie die Fragen, die die Gruppe neugieriger Reporter auf sie niederprasseln ließ.
Nur wenige wollten etwas über ihre Europarundreise und die Zusammenkünfte mit den einzelnen Staatsoberhäuptern wissen. Die meisten waren an näheren Informationen über den drohenden Sturz der ägyptischen Regierung durch moslemische Fundamentalisten interessiert.
Das Ausmaß des Aufruhrs war ihr noch nicht so recht klar. Fanatische Mullahs, angeführt von Achmed Yazid, einem islamischen Rechtsgelehrten, hatten die religiöse Leidenschaft von Millionen notleidender Dorfbewohner am Ufer des Nils und der verarmten Massen in den Kairoer Slums angefacht. Hohe Offiziere der Armee und der Luftwaffe konspirierten in aller Offenheit mit den islamischen Radikalen, um den erst kürzlich gewählten Präsidenten, Nadav Hasan, aus dem Amt zu vertreiben. Die Situation stand auf der Kippe, doch Hala hatte bisher keinen aktuellen Lagebericht ihrer Regierung erhalten, so daß sie gezwungen war, ihre Antworten vage und nichtssagend zu halten.
Während sie ruhig und emotionslos die Fragen beantwortete, wirkte Hala unendlich gelassen, beinahe wie eine Sphinx. Innerlich jedoch schwankte sie zwischen Unsicherheit und Panik, fühlte sich fern und machtlos, so als ob unkontrollierbare Ereignisse jemand anderen aus der Bahn würfen, jemanden, dem nicht mehr zu helfen war und für den man nur noch Mitleid empfinden konnte.
Sie hätte für die Büste Königin Nofretetes, die im Berliner Museum stand, Modell gesessen haben können. Beide Frauen besaßen den gleichen langen, schlanken Hals, das feingeschnittene Gesicht und denselben unvergleichlichen Blick. Hala war zweiundvierzig Jahre alt, schlank, hatte schwarze Augen, einen makellosen braunen Teint und lange, pechschwarze Haare, die glatt auf ihre Schultern fielen. Mit Absätzen maß sie ein Meter fünfundsiebzig. Ihr geschmeidiger, wohlproportionierter Körper steckte in einer Modelljacke. Darunter trug sie einen Faltenrock.
Im Laufe der Jahre hatte Hala das Zusammensein mit vier Liebhabern genossen, doch sie war nie verheiratet gewesen. Die Vorstellung, einen Ehemann und Kinder zu haben, kam ihr abwegig vor. Sie lehnte es ab, ihre Zeit mit langdauernden Bindungen zu verplempern, und die körperliche Liebe bedeutete ihr kaum mehr Ekstase als das Kaufen eines Fahrscheins oder der Besuch eines Balletts.
Als Kind in Kairo, wo ihre Mutter als Lehrerin und ihr Vater als Filmproduzent arbeiteten, hatte sie jede freie Minute damit verbracht, in den uralten Ruinen, die sie von zu Hause aus mit dem Fahrrad erreichen konnte, herumzustöbern und zu graben. Hala war eine ausgezeichnete Köchin und hatte in Ägyptologie promoviert. Die Stellung als Wissenschaftlerin beim Kultusministerium war einer der wenigen Arbeitsplätze gewesen, die Moslemfrauen offenstanden.
Mit enormem persönlichem Einsatz und unerschöpflicher Energie hatte sie die Diskriminierung der Frauen in der islamischen Gesellschaft überwunden und war zur Direktorin der Altertumsabteilung aufgestiegen. Später leitete sie die Informationsabteilung. Präsident Mubarak wurde auf sie aufmerksam und drängte sie, einen Posten in der ägyptischen Delegation bei der UN-Vollversammlung zu bekleiden. Fünf Jahre später, als Javier Pérez de Cuellar zurücktrat, weil fünf Moslemnationen wegen ihrer Forderungen nach Glaubensreformen der Charta entsagten, wurde Hala als Zweite Vorsitzende nominiert. Generalsekretärin wurde sie schließlich nur, weil sich die Männer, die Anspruch auf das Amt gehabt hätten, weigerten, diese Aufgabe zu übernehmen, und weil man hoffte, es könne ihr gelingen, die sich immer tiefer öffnende Kluft innerhalb der Organisation zu überbrücken.
Nun, da sich die Regierung ihres Heimatlandes am Rande des
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