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Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Titel: Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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hundert Meter vor ihr wirkte jünger als der Mann, mit dem sie nun schon seit zweieinhalb Jahrzehnten zusammenlebte. Er strahlte Energie und Jugendlichkeit aus, ein Mann, der von seinem Alltag losgelöst war. Ein Fremder auf seinem Weg durch eine unbekannte Stadt, und das zu einem Zeitpunkt, an dem die meisten Menschen noch tief und fest schliefen.
    Bryan erreichte eine am Samstag ruhende Baustelle und schritt ohne Rücksicht auf seine guten Schuhe durch den Sand. Laureen dagegen zögerte und verlor Bryan dabei aus den Augen. Verstört sah sie sich um. Doch Bryan war weg.
    Verdammt!, dachte sie und kam sich so lächerlich vor. Wie dilettantisch von ihr! Beschattete den einzigen Menschen weit und breit, und zwar am frühen Morgen, und ließ ihn entwischen. Hatte sie dafür wirklich fast tausend Kilometer reisen müssen?
    Dann marschierte sie entschlossen weiter in Richtung Zentrum. Inzwischen taten ihr die Füße weh.
    Erleichtert entdeckte sie Bryan kurze Zeit später etwa zweihundert Meter voraus wieder. Jetzt waren sie und ihr Mann nicht mehr allein auf der Straße. Laureen glaubte, die verwunderten Blicke der anderen Passanten auf sich zu spüren, wie sie in winzigen Schritten und halsbrecherischem Tempo dieStraße entlangrannte. Die Stöckelschuhe, die schmerzenden Fußgelenke, der Rock, der Mantel, ihr Alter und ihre schlechte Kondition, das alles machte die Sache nicht ganz leicht.
    Als sie ihn fast eingeholt hatte und schon glaubte, die totale Pleite doch noch abgewendet zu haben, schoss er unvermittelt zur Straßenbahnhaltestelle in der Mitte der Straße und stieg in die Tram. Laureen hatte sie zwar kommen gehört, aber nicht weiter beachtet.
    Nun fuhr sie ihr vor der Nase davon.
    Längst vergessene Schimpfwörter und Flüche kamen ihr in den Sinn. Laureen sah an sich herab. Warum in aller Welt rannte sie auf hohen Absätzen und mit einer lästigen Handtasche voller nutzloser Dinge in der Gegend herum? Was hatte sie sich denn bloß dabei gedacht, als sie sich am Morgen anzog? Wie dämlich konnte man sein? Ein Kostüm mit engem Rock und ein heller Mantel! Hatte sie im Falle einer Konfrontation eine möglichst gute Figur machen wollen?
    Sie nickte. Das war eine plausible Erklärung.
    Sie blickte der in gemächlichem Tempo davonrumpelnden Straßenbahn nach.
    Hätte ich Bridget doch mitnehmen sollen? Dann hätte uns Bryan garantiert bemerkt und die ganze Sache wäre schon überstanden, dachte Laureen, als sie die gleiche Straße in entgegengesetzter Richtung entlangtrottete.
    Auf der anderen Seite des Kanals hielt die Straßenbahn, setzte ein paar Frühaufsteher auf ihrem Weg zur Arbeit ab und sammelte neue Fahrgäste auf. Laureen kniff die Augen zusammen. Auch Bryan war ausgestiegen. Er war nur eine Haltestelle weit mitgefahren.
    Diesmal war es ihr egal, ob die Leute sie anglotzten. Sie raffte ihren Rock und rannte los.
     
    Aus der Entfernung ist es fast unmöglich zu erkennen, in welche Seitenstraße ein Auto oder ein Mensch abbiegt, dachteLaureen. Man staunt immer wieder, wie Städte und Straßen bei näherer Betrachtung tatsächlich zusammenhängen. Was aus der Entfernung so einfach und kompakt aussieht, erweist sich bei genauerem Hinsehen schon mal als Labyrinth.
    Als Bryan das erste Mal abbog, war sich Laureen noch ganz sicher, doch schon beim zweiten Mal wurde es problematisch. Vorsichtig näherte sie sich der jeweils nächsten Straßenecke und warf so unauffällig wie möglich einen Blick in die Seitenstraße. Ein paar Fußgänger sahen sie befremdet an. Ein kleines Mädchen mit einem roten Spielzeugportemonnaie in der Hand stolzierte fasziniert eine Weile hinter ihr her, bis es erschrocken zu der Bäckerei zurückrannte, von der es gekommen war.
    An der Ecke Luisenstraße/Holzmarkt entdeckte Laureen Bryan wieder. Ein Stück weiter die Straße hinunter lehnte er an einer Hauswand und sah zu ein paar großen Sprossenfenstern in einem klassischen, gutbürgerlichen, aber heruntergekommenen Gebäude hinauf. Er hatte offenbar Zeit. Und er rauchte.
    Die Stadt war inzwischen aufgewacht, die übliche Samstagvormittagshektik machte sich breit   – schließlich musste man alles in der Hälfte der Zeit schaffen. Laureen wurde wieder unruhig. Was auch immer Bryan gerade tat, er hatte sie offenkundig nicht in sein Vorhaben einweihen wollen.
    Hätte Laureen ihren Mann nicht so gut gekannt, wäre sie vielleicht auf die Idee gekommen, dass hier eine andere Frau im Spiel war. Aber so fand sie die Situation äußerst

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