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Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Titel: Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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verwirrend und konnte sich keinen Reim darauf machen.
    Sie sah Bridget vor sich und schüttelte den Kopf.
    Was wissen wir schon über unsere Mitmenschen? Nichts! Was wissen wir schon über uns selbst? Die Westentaschenphilosophie ihrer Tochter klang Laureen deutlich in den Ohren. Nur leider war das Blödsinn, und das hatte sie sich schon immer gedacht.
    Natürlich wusste sie einiges über ihre Mitmenschen undsich selbst. Aber wagte sie es, ihren eigenen und den Facetten ihrer Mitmenschen ins Gesicht zu sehen?
    Wenn man das nicht tat, konnte man böse Überraschungen erleben.
    Hier und jetzt musste sich Laureen mit dem Gedanken anfreunden, möglicherweise vor einer wesentlichen Seite ihres Mannes die Augen verschlossen zu haben. Selbstverständlich war es möglich, dass Bryan sie betrog, und selbstverständlich war es möglich, dass er sich einer anderen Frau hingab, wie er sich Laureen nicht hingab. Vor ihrem Fenster hatte er seinerzeit jedenfalls nicht stundenlang ausgeharrt.
    Und doch war sie seltsamerweise ziemlich sicher, dass es hier um etwas ganz anderes ging.
    Denn normalerweise war Bryan ein Mann der Tat. Wenn er sich erst mal etwas vorgenommen hatte, fackelte er nie lange.
    Und jetzt stand er einfach da, wartete und rauchte.
     
    Hin und wieder trug der Wind Geräuschfetzen von der Einkaufsstraße herüber. Nach einigem Überlegen verließ Laureen ihren Posten. Sie musste für die nächste Etappe gerüstet sein, das hieß, dass sie sich andere Kleidung und Schuhe besorgen musste. Bryan machte nicht den Eindruck, als würde er sich so bald vom Fleck rühren.
    Bis zur Hauptstraße waren es nur wenige hundert Meter.
    Als Erstes kaufte sie sich ein Paar Jeans, dann entdeckte sie auf einem der Wühltische, die den gesamten Eingangsbereich des Kaufhauses ausfüllten, ein Paar Turnschuhe. Als sie gerade hineinschlüpfte, sah sie ihren Mann auf der anderen Straßenseite vorbeigehen.
    Ihre Blicke streiften sich. Laureen biss sich auf die Unterlippe und wollte ihm gerade wie ein schüchternes Schulmädchen verlegen zuwinken, als er wieder wegsah und weiterging.
    Er hatte sie nicht wahrgenommen.
    Erst als sie die Ringstraße erreichten, war sie ihm wieder sodicht auf den Fersen, dass sie nicht befürchtete, ihn erneut aus den Augen zu verlieren. Mitten auf der großen Fußgängerbrücke blieb er stehen und blickte zum Park hinüber. Soweit Laureen wusste, war das der Stadtgarten. Sie setzte die große Plastiktüte mit ihrem Rock und dem Mantel ab und band sich die Schuhe. Sie waren bequem und stützten die Fußgelenke, aber sie waren auch neu. Bestimmt würde sie sich bis zum Abend jede Menge Blasen laufen.
    Und dann entdeckte Bryan die andere Frau.

36
    BRYAN WURDE ES KÜHL.
    Zwar war es auch heute Morgen wieder klar und versprach, spätsommerlich warm zu werden, aber der Wind fegte bitterkalt durch die Luisenstraße. Zwei Stunden lang hatte er geistesabwesend dort gestanden und versucht, die Situation irgendwie in den Griff zu bekommen.
    Das Telefonat mit Keith Welles am Vorabend hatte ihn bitter enttäuscht. Der Gerhart Peuckert, den Keith in Haguenau angetroffen hatte, war natürlich ein anderer. Er hätte sich die Fahrt nach Frankreich sparen können, wenn er sich vorher nach dem Alter des Mannes erkundigt hätte. Am Ziel angekommen, reichte ein kurzer Blick auf den Patienten. Gerhart Peuckert in Haguenau war ein weißhaariger Mann über siebzig mit braunen, lebendigen Augen. Dieser Schlag ins Wasser hatte sie einen ganzen wertvollen Tag gekostet.
    Es war nun schon Samstag, und Welles würde mit seinen Nachforschungen nicht mehr viel weiterkommen. Von nun an lag die Recherche ganz bei Bryan.
    Eigentlich hatte er den Tag mit einem Besuch in der Kuranstalt beginnen wollen. Doch nach einer schlaflosen, unruhigen Nacht hatte er, ehe er sichs versah, in aller Herrgottsfrühe vor dem Haus in der Luisenstraße gestanden, in das am Vorabend der alte Mann verschwunden war. Im Grunde wusste er nicht, warum. Es kam ihm wie sinnloser Zeitvertreib vor. Wie eine Therapie. Hätte er nicht besser sein Auto vom Sanatorium holen oder noch mal Kröners Haus beobachten sollen? Aber nun war er hier gelandet.
    Er fror.
    Er hatte zu viel gesehen. Der Anblick des niedlichen kleinen Jungen in Kröners Armen ließ ihn nicht los. Was wusste er eigentlich über diesen Mann? Warum war Kröner in Freiburg? Was war passiert seit damals, als sie im Alphabethaus waren?
    So viele Fragen   – und keine einzige Antwort.
    Im Haus des alten Mannes

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